Gesundheitliche Wirkung von Obst und Gemüse

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Eine Einführung zu neuen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Wirkungen von Gemüse und Obst

  • "Revolution in der gesundheitlichen Bewertung von Gemüse"
  • "Gemüse gegen Krebs"
  • "Krebszellen mögen keine Himbeeren"
  • "Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln"
  • "Paradigmenwechsel bei sekundären Pflanzenstoffen"
  • "5 am Tag - Obst und Gemüse"
  • "Eat your colours every day".

Solche und andere Titel, Appelle und Initiativen häuften sich in den letzten Jahren. Sie folgten der Entdeckung der besonderen gesundheitlichen Wirkungen von Sekundären Pflanzenstoffen in Gemüse und Obst.
Ins Visier der Mediziner, Krebsforscher, Epidemiologen, Physiologen, Ernährungswissenschaftler - neuerdings auch Agrarwissenschaftler und Genetiker - kamen „plötzlich“ Stoffe, die noch vor kurzer Zeit für die menschliche Ernährung als unbedeutend, gelegentlich sogar als „antinutritiv“, also schädlich oder bedenklich, eingestuft wurden. Die Liste der für den Nichtchemiker schwer verständlichen Stoffe, deren Bedeutung für die menschliche Gesundheit erkannt bzw. intensiv untersucht wird, ist inzwischen lang: Glucosinolate, Sulforhaphan, Indole, Phenolsäuren, Polyphenole, Flavonoide, Anthocyanidine, Resveratrol, Ellagsäure, Sulfide, Alliin, Saponine, Terpene, Phytosterine, Phytoöstrogene, Proteaseinhibitoren sind Beispiele für die verwirrende Vielfalt. Einzig die große Gruppe der Carotinoide ist dem Verständnis näher, weil im Allgemeinen das Beta-Carotin (z. B. in der Möhre) als Vorläufer von Vitamin A bekannt ist. Die Pflanzen bilden diese Stoffe hauptsächlich zur Abwehr gegen Krankheiten und Schädlinge (Düfte, scharf schmeckende Stoffe, Toxine u.a.) und zur Unterstützung der Fortpflanzung (Farben, Düfte, Hormone u.a.).

Erkenntnisse

Immer stabiler werden jedoch die Erkenntnisse über deren krebshemmende, antimikrobielle, antioxidative, immunmodulierende, entzündungshemmende, cholesterinsenkende, blutdrucksenkende und blutzuckersenkende Wirkung beim Menschen. Natürlich wusste man, dass Gemüse und Obst „gesund“ sind. Was jetzt ans Licht kommt, geht jedoch weit über diese allgemeine Aussage hinaus. Es bestätigt und erklärt sie in einer vorher nicht geahnten Deutlichkeit.


Vorbeugende Wirkung?

Insgesamt ist die Frage nach der vorbeugenden Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen bzw. der Zusammenhang zwischen pflanzlicher Nahrung und dem Risiko, an den sog. Zivilisationskrankheiten zu leiden, zu einem großen, weltweit beachteten Forschungsgebiet geworden. Inzwischen liegen schon mehr als tausend wissenschaftliche Veröffentlichungen vor, in denen allein oder unter anderem die Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Gemüse und Obst und dem Gesundheitszustand geprüft wurde. In der weit überwiegenden Zahl der Studien lautet das Ergebnis: Mit dem erhöhten Verzehr von Gemüse und Obst ist ein geringeres Risiko für Krebs, Herz-Kreislauferkrankung und viele andere Erkrankungen oder Altersgebrechen verbunden. Die Forschung insbesondere in Japan und den USA konzentrierte sich anfänglich stark auf die Vorbeugung vor Krebs und die Erkrankung des Herzkreislaufsystems. Schlagzeilen wie „Gemüse gegen Krebs“ oder „Essen gegen Krebs“ stammen aus dieser Zeit. Inzwischen hat sich der erkannte Wirkungsbereich jedoch weit ausgedehnt, insbesondere auch auf Alterskrankheiten oder Alterserscheinungen wie Gedächtnisleistung, Demenz, Alzheimer, Gehbehinderungen, Muskelstärke, Hautstraffheit u.a., wie aus der folgenden Tabelle zu ersehen ist.

Krankheiten und Altersgebrechen, deren Risiko durch erhöhten Verzehr von Obst und Gemüse verringert wird (Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen 1994 bis 2010)
Krebs an Herz-Kreislauf-Erkrankungen Andere
  • Lunge
  • Brust
  • Prostata
  • Dickdarm
  • Enddarm
  • Blase
  • Bauchspeicheldrüse
  • Eierstock
  • Gebärmutter
  • Leberzellen
  • Nierenzellen
  • Kehlkopf
  • Speiseröhre
  • Magen
  • Lymphknoten
  • Blut
  • Schlaganfall
  • Gehirnblutung
  • Herzinfakt
  • Aterienverkalkung
  • Bluthochdruck


Gemüse und Obst sind nicht nährstoffverarmt!

Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2.5.2006: „Der Vitamin- und Vitalstoffgehalt von vielen Obst- und Gemüsesorten hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen!“ So oder ähnlich argumentieren unter anderem einige Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln für ihre künstlich hergestellten Vitamin- oder Mineralstoffprodukte. Sie reden dem Verbraucher ein, dass er heute mit natürlichem Gemüse oder Obst nicht mehr alle lebenswichtigen Nährstoffe aufnehmen kann. Stimmt das denn? Dieser Frage ging die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. in einem Forschungsauftrag für ihren Ernährungsbericht 2004 nach. Es wurde ein beispielhafter Vergleich der Nährwertangaben für 8 verschiedene Lebensmittel aus anerkannten internationalen Nährwerttabellen der Jahre 1954 bis 2000 durchgeführt. Das Ergebnis: Obst und Gemüse verarmen nicht, weder an Vitaminen noch an Mineralstoffen!
Nähere Details dazu auf der Homepage der DGE unter dem Thema:Gemüse und Obst sind nicht nährstoffverarmt!


Ist Gemüse und Obst heute noch so wertvoll wie früher?

Dass in Gemüse und Obst heute nichts mehr steckt ist ein modernes Ernährungsmärchen. Die Nährstoffkonzentration von Gemüse und Obst hat sich in den letzten 50 Jahren, laut Ernährungsbericht von 2004, tendenziell nicht verändert.
Was die Ernährungswissenschaftler der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik e.V. aus Aachen weiter zu dem Thema sagen findet man in dem folgenden Bericht TV-Themen-Wissen was läuft!


Steinzeitliches Urgemüse so dick wie Bleistifte

Unsere Vorfahren in der Steinzeit sammelten und aßen bereits viele der heute noch bekannten Wurzeln und Knollen. Für sie waren Möhren, Pastinaken, Petersilienwurzeln und andere Wurzelgemüsearten eine wichtige Nahrungsgrundlage.
Nähere Details zur Geschichte der Wurzelgemüse brachte eine Fernsehsendung des WDR/SWR/br-alpha am 1.4.2010. Details dazu unter planetwissen.


Studien

Am Beginn dieser neuen Sicht standen großangelegte und über viele Jahre laufende Bevölkerungsstudien (epidemiologische Untersuchungen). Dabei werden die Teilnehmer u.a. nach ihren Lebensumständen, den Verhaltensweisen und vor allem auch nach den Ernährungsgewohnheiten befragt und auf den Gesundheitszustand untersucht. Ziel solcher Studien ist, einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Krankheiten und dem Verhalten bzw. dem Umfeld zu finden. Eine der ersten sehr großen Untersuchungen wurde Ende der 80er Jahre in Japan veröffentlicht. Dort wählte man zu Beginn 265.118 gesunde Personen aus und begleitete diese über einen Zeitraum von 17 Jahren. Erfasst wurden unter anderem das Rauchen, der Alkoholkonsum und vor allem die Ernährung und der Gesundheitszustand bzw. die Todesursachen. Über den gesamten Untersuchungszeitraum starben 55.523 Personen, davon 14.740 an Krebs und 8.789 an Herzkrankheiten. Die Auswertung dieses riesigen Datenmaterials zeigte wohl zum ersten Mal mit einer beeindruckenden Deutlichkeit, dass Menschen, die viel Gemüse aßen, ein teilweise wesentlich geringeres Risiko hatten, an Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Arteriosklerose, Magengeschwüren, Lungenentzündung u.a. zu erkranken. „Wer viel Gemüse isst, lebt länger“, lautete eine Gesamtaussage der japanischen Forscher um Prof. Hirayama. Damals vermutete man, dass die Carotinoide eine wesentliche Ursache für die gesundheitliche Wirkung von Gemüse seien und die japanische Regierung startete ein Programm zur Förderung des Verzehrs von „grün-gelbem Gemüse“ und zur Eindämmung des Rauchens.

Außer den sog. prospektiven Studien, bei denen man von einer gesunden Teilnehmergruppe ausgeht und diese über eine längere Zeit mit Befragungen und Untersuchungen begleitet, gibt es die sog. Fall-Kontrollstudien. Bei diesen vergleicht man eine möglichst große Zahl von Patienten (Fälle) mit einer gleich großen Zahl gesunder Menschen aus demselben Umfeld, dem gleichen Bildungsstand, der gleichen ethnischen Herkunft, im gleichen Alter und mit möglichst vielen sonstigen Übereinstimmungen (Kontrollen). Mit Hilfe der möglichst genauen Befragung nach dem früheren Verhalten und der Ernährung wird dann analysiert, ob ein Zusammenhang zum jeweiligen Erkrankungsrisiko zu finden ist. Diesem häufig angewandten Studiendesign stehen manche Forscher kritisch gegenüber, weil sie die Präzision der Angaben insbesondere der Patientengruppe anzweifeln: Wer krank sei, neige dazu, sein Verhalten anders darzustellen, um nicht Vorwürfen ausgesetzt zu werden. Daher wird bei diesen Ansätzen oft besondere Sorgfalt auf die Qualität der Angaben mit eingefügten Plausibilitätskontrollen gelegt. Oder man geht auch dazu über, anstelle der oder zusätzlich zu den Angaben über den Verzehr von Obst und Gemüse den Gehalt an Carotinoiden im Blutplasma zu analysieren. Dieser steht nämlich in einem engen Zusammenhang mit der Menge an Gemüse und Obst, die gegessen wurde, weil in den meisten Gemüse- und Obstarten Carotinoide enthalten sind. Bei Tierversuchen können selbstverständlich verschiedene Futterzusammensetzungen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit auch über einen längeren Zeitraum geprüft werden. Mit Menschen werden in letzter Zeit vermehrt kurzfristige kontrollierte Ernährungsversuche durchgeführt. In einem Zeitraum von einer bis sechs Wochen erhalten Probanten z.B. täglich eine definierte Menge an Tomatensaft, Möhrensaft, Apfelsaft, Brokkoli, Rosenkohl. Mit Hilfe von Blutuntersuchungen kann dann die Wirkung dieser „Intervention“ auf das Immunsystem erkannt werden. Versuche mit Einzelzellen, Gewebekulturen, Mikroorganismen, denen bestimmte sekundäre Pflanzenstoffe oder Pflanzenextrakte sowie krebsauslösende Agenzien zugesetzt werden, können nähere Informationen über Wirkstoffe und Wirkungsmechanismen liefern.

Dass es der Wissenschaftlergemeinschaft nicht reicht, festzustellen, dass ein höherer Gemüse- und Obstverzehr bestimmte Erkrankungen verhindert, ist verständlich. Man will die Ursachen einer solchen Wirkung erkennen und wissen, was das Besondere an Gemüse und Obst ist, das über die bekannten Eigenschaften (Gehalte an Mineralstoffen, Spurenelementen, Vitaminen und evtl. noch Ballaststoffen) hinausgeht. Dies führte dazu, dass aus den verkannten sekundären Pflanzenstoffen die „Bioaktiven Substanzen“ wurden und damit eine neue Gruppe von gesundheitsrelevanten Stoffen anerkannt wurde.

Ein paar Beispiele:
[1] Hoher Verzehr von gekochtem Gemüse mindert Risiko für rheumatische Arthritis
Das Risiko, an rheumatischer Arthritis zu erkranken kann durch einen hohen Verzehr von gekochtem Gemüse stark abgesenkt werden. Dies ist das Ergebnis einer sog. Fall-Kontrollstudie in der Patienten und eine vergleichbare Gruppe gesunder Personen eingehend nach ihren Verzehrsgewohnheiten über mehr als 100 Nahrungsmittel und nach sonstigen Lebensumständen befragt wurden. Wenn die Häufigkeit des Gemüseverzehrs in vier Gruppen eingeteilt wurde, hatte die Gruppe mit dem höchsten Verzehr nur noch ein Risiko von 39 % an rheumatischer Arthritis zu erkranken gegenüber der Gruppe mit dem niedrigsten Gemüseverzehr. Da in dieser Untersuchung auch Olivenöl eine ähnlich vorbeugende Wirkung zeigte, war es der Forschergruppe an der Abteilung Epidemiologie der medizinischen Fakultät der Universität Athen wichtig, mit statistischen Analysen nachzuweisen, dass die Wirkung von gekochtem Gemüse gesichert unabhängig von der Wirkung von Olivenöl besteht. Die Autoren hoffen, dass in weiteren Untersuchungen die Mechanismen gefunden werden können, die diesem Untersuchungsergebnis zugrunde liegen.

[2] Vielflieger sollten mehr Gemüse und Obst essen - Erbgutschäden verringert
Um zu prüfen, ob die Ernährung mit antioxidativ wirkenden Nahrungsmitteln Chromosomenschäden (Vorstufen für Krebs) beeinflusst, haben amerikanische Forscher 82 Piloten befragt und untersucht. Piloten wurden ausgewählt, weil sie berufsbedingt besonders hoher ionisierender Strahlung mit der Gefahr von DNA-Schädigungen ausgesetzt sind. Aus den Ernährungsdaten wurde die Zufuhr von Vitamin C und E sowie der Carotinoide berechnet. Man teilte dann die untersuchten Personen auf in solche mit einer Aufnahme von antioxidativ wirkenden Nahrungsmitteln unterhalb des mittleren Wertes und solche, die darüber lagen. Die Daten zeigen, dass bei der Gruppe mit hohem Verzehr von grünem Blattgemüse die Beschädigung der Chromosomen um mehr als 40 % vermindert war gegenüber denen, die weniger davon aßen. Eine ähnliche Risikominderung ließ sich auch für die höhere Aufnahme von hoch Vitamin-C-haltigem Obst und Gemüse sowie für Zitrusfrüchte berechnen. Wenn alle drei Nahrungsgruppen „hoch“ waren, reduzierte sich das Risiko für Erbgutschäden um 73 %. Eine Ernährung - so schließen die Autoren -, die reich ist an Vitamin C, Vitamin E und den Carotinoiden Beta-Carotin, Beta-Cyptoxantin und Lutein-Zeaxanthin, könnte bei Personen, die höherer Strahlung ausgesetzt sind, DNA-Schäden vermindern.

Weitere Studien

5 am Tag

Paracelsus - manchmal auch dem Arzt des griechischen Altertums, Hippokrates, - wird der Satz zugeschrieben: "Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel eure Nahrungsmittel sein“.

Die von der Deutschen Krebsgesellschaft u.a. initiierte Aktion „5 am Tag - Obst und Gemüse“ will diesem Motto mehr Gewicht geben. Das Motto stammt aus den USA, die schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Slogan „five a day“ den Verzehr von Gemüse und Obst gezielt steigern wollten. Gemeint ist: Um den optimalen gesundheitlichen Nutzen aus pflanzlicher Nahrung zu ziehen, wird empfohlen, pro Tag insgesamt 5 Portionen Gemüse und Obst zu sich zu nehmen. Konkret sollten es drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst sein. Unter einer Portion wird „eine Hand voll“, also ein Apfel oder eine Tomate oder eine Möhre oder ein kleiner Salat oder eine Glas Gemüse- bzw. Obstsaft verstanden. 80 bis 100 Gramm sind ein anderes Maß für die „Portion“.


Einzelnachweise

  1. Athena Linos et.al.: Dietary factors in relation to rheumatoid arthritis: a role for olive oil and cookes vegetables?, American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 70, Nr. 6, Dezember 1999
  2. Yong,L.,C. et al. : »High dietary antioxidant intakes are associated with decreased chromosome translocation frequency in airline pilots. » Am J Clin Nutr. 90 (5), 1402-1410, Nov. 2009.


Quellen

Gemüse ist mehr als ein Nahrungsmittel – Neue Erkenntnisse über die gesundheitlichen Wirkungen.
Buch von Hans-Christoph Scharpf, Eigenverlag, erschienen 2014, Preis: 14,00 € plus 1,50 € Versandkosten.
Bestellung über die Emailadresse des Autors: hcscharpf@gmail.com

Deutsche Gesellschaft für Ernährung - Gemüse und Obst sind nicht nährstoffverarmt! 02.05.2006

Wissen was läuft - Gemüse und Obst ist heute noch mindestens so wertvoll wie früher!

Weblinks