Gewebekultur

Aus Hortipendium
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In vitro-Kultur von einer Weinrebe (FA Geisenheim)

Die Gewebekultur oder auch In vitro-Vermehrung ist eine Methode der vegetativen Vermehrung von Pflanzen. Die unterschiedlichen Techniken der Gewebekultur werden zu Forschungszwecken, zur Pflanzenproduktion, zur Pflanzenzüchtung und/oder in der Gentechnik eingesetzt, wobei die meisten Verfahren der klonalen Vermehrung der Pflanzenproduktion dienen. In der Pflanzenproduktion könnte die Gewebekultur umgangsprachlich auch als "Vermehrung im Reagenzglas" bezeichnet werden. Die Definiton von Gewebekultur lautet nach Heß wie folgt: "Bei Gewebekulturen handelt es sich um die Kultur von mikrobenfreiem Pflanzmaterial in steriler Umgebung, in der Regel auf sterilisiertem Nährmedien.[1] " Die Zahl der in-vitro Pflanzen ist seit 1996 steigend. 1996 wurden 20,5 Mio Pflanzen kloniert, 2004 sind es bereits 48,9 Mio geklonte Pflanzen. Dabei trugen im Jahr 2004 die Orchideen Phalaenopsis den Hauptanteil, dicht gefolgt von Flamingoblumen Anthurium und Enzian Gentiana sowie der Erdbeere im Beerenobstbereich. [2]

Grundlage

Grundlage der Gewebekultur ist die Erkenntnis, dass aus allen Organen von Pflanzen regenerationsfähiges Gewebe isoliert und in einer sterilen Umgebung kultiviert werden kann. Einzelne Pflanzenzellen besitzen die Fähigkeit, vollständige Pflanzen mit Wurzel, Spross, Blättern und Blüten zu regenerieren. So regenerieren isolierte Wurzelvegetationspunkte in der Regel nur neue Wurzelsysteme (Ausnahme: einige Winden-Arten (Convolvulus)) während apikale Sprossvegetationspunkte ohne weiteres ganze Pflanzen regenerieren können. Die Erfolge der Gewebe- bzw. Zellkulturen beweisen, dass jede Pflanzenzelle die vollständige genetische Information für die Ausbildung aller Funktionen einer noch so komplexen höheren Pflanze enthält und alle Spekulationen über ungleiche Verteilung von Genen, Genverluste oder irreversible Blockierung von Genen während der Differenzierung widerlegt ist. [3]

Bei der Gewebekultur wird unterschiedliches Pflanzenmaterial verwendet. Daher kann das Pflanzenmaterial entweder aus ganzen Pflanzen (einschließlich der Embryonen), isolierten Organen und Organteilen, isoliertem Gewebe, isolierten Einzelzellen oder isolierten Protoplasten bestehen.

Techniken

In der Gewebekultur gibt es unterschiedliche Techniken, um Pflanzen zu vermehren bzw. um sie in der Forschung und Züchtung einzusetzen. Da bei den Verfahren zum Teil neue Spross-Apikal-Meristeme und Wurzel-Apikal-Meristeme gebildet werden müssen, sind die Anteile und Konzentrationen der Phytohormone im Nährmedium unterschiedlich. In der Regel werden Spross-Apikal-Meristeme bei relativ niedrigen Auxin- und relativ hohen Cytokinin-Konzentrationen im Medium gebildet. Hingegen werden Wurzel-Apikal-Meristeme bei relativ hohen Auxin- und relativ niedrigen Cytokinin-Konzentrationen regeneriert.

Embryonenkultur

in der Pflanzenzüchtung, selten in der Pflanzenproduktion angewendet

Isolierte Organe und Organteile

Antheren und Pollenvorstufen haploider Pflanzen
Anwendung in der Pflanzenzüchtung und Gentechnik

Explantate
Die Vermehrung über die Technik der Explantate findet vornehmlich in der Pflanzenproduktion statt und ist die Vermehrung über Blattteile. Aus dem Gewebe wachsen bereits vorhandene Anlagen aus. Diese Neubildungen werden als Adventivbildungen bezeichnet. Die Zellen des Explantats müssen zuerst Meristeme rekonstruieren, aus denen sich dann Sprosse und Wurzeln bilden können. Saintpaulia ionantha, das Usambaraveilchen, wird beispielsweise über Explantate vermehrt. Dazu wird der Mutterpflanze ein Blatt entnommen und in kleine Segemente zerlegt, die auf ein speziell hergestelltes und steriles Agarmedium (Nährmedium) überführt werden. Nach der Bewurzelung werden die Adventivpflanzen in Erde überführt und können zu neuen Usambaraveilchen heranwachsen.

Klonale Vermehrung über Achselknospen
Die Klonale Vermehrung von Pflanzen über die Achselknospen wird in der Pflanzenproduktion angewendet. An jeder Sprosspitze und an allen Einzelknoten (Nodien) der Pflanzen finden sich Achselknospen. Diese Organe werden isoliert, wie die Explantate auf geeigneten Medien kultiviert und zum Auswachsen der Achselknopsen gebracht. Dabei ist zu beachten, dass von Pflanzen mit einem kurzen Internodienabstand (stark gestaucht) nur die Sprossspitzen und nicht die Einzelknoten eignen, da die Klone (Nachkommen) dieser Pflanzen ebenfalls zu gestauchten Pflanzen heranwachsen würden. Die Achselknospen wachsen zu kleinen Pflänzchen heran. Wenn sie größer geworden sind, können von diesen Pflanzen wiederum Sprossspitzen oder Einzelknoten isoliert werden. Dieser fortwährende Kreislauf und eine praktikabelen Umsetzung machen die Sprossspitzentechnik zu der effizienteste Art der klonalen Vermehrung. Mit dieser Technik werden zahlreiche Zierpflanzen vermehrt und vermarktet. Das berühmteste Pflanzenbeispiel ist Gerbera jamesonii in ihren zahlreichen Kulturformen.

Isolierte Gewebe

Meristemkultur
in der Pflanzenproduktion)

Kalluskultur und Suspensionskultur
in der Pflanzenproduktion, Pflanzenzüchtung und Gentechnik

Einzelzellen und isolierte Protoplasten

in der Gentechnik


Quelle

  1. Dieter Heß:Pflanzenphysiologie. 11. Auflage. 2008. Seite:56
  2. ADIVK - Arbeitskreis Deutsche In vitro Kulturen, S. Merkle, Stuttgart in Dieter Heß: Pflanzenphysiologie, 11. Auflage, 2008, Seite: 56
  3. U. Lüttge, M. Kluge, G. Bauer: Botanik 3. Auflage, Wiley-VCH Verlag GmbH, 1999, Seite 513

Dieter Heß (2008): Pflanzenphysiologie - Grundlagen der Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen. 11. Auflage. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. ISBN 978-3-8252-8393-3

Holger Seipel (2007): Fachkunde für Gärtner. Dr. Felix Büchner - Verlag Handwerk und Technik GmbH. Hamburg. ISBN 978-3-582-041555