Super Spindelanbau

Aus Hortipendium
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Beim Superspindelanbau, auch Super Schlanke Achse (Kurzform: S S A ; italienisch: asse centrale; englisch: super spindle axe) genannt, handelt es sich um eine von Stefano Musacchi, von der italienischen Universität Bologna optimierte Erziehungsform für den intensiven Kern- und Steinobstanbau. Diese Kulturvariante ist charakterisiert durch eine sehr hohe Bepflanzungsdichte mit entsprechend angepasstem Kulturverfahren.

Im Gegensatz zum Hochstamm-, Halbstamm- oder Spindel-Anbau zielt die Erziehung der einzelnen Bäume auf einen Fruchtertrag an der Basis der einjährigen Seitentriebe, die direkt horizontal vom Stamm verzweigen. Die Ausmaße fruchttragender Bäume umfassen in etwa 50 bis 80 cm in der Breite und zwischen 3 und 4 m in der Höhe. Somit steht im Vordergrund dieses Kultursystems die Rationalisierung und Vereinfachung zeitintensiver Kulturmaßnahmen wie dem Schnitt und der Ernte aufgrund der optimierten Wuchsform sowie einer besseren Flächenausnutzung.


Kulturverfahren

Nachfolgend werden die wichtigsten Kulturmaßnahmen des Anbausystems tabellarisch aufgezeigt und folgend erörtert.

Zeitpunkt Kulturmaßnahme
Jahr 00
Januar Pflanzung des Pflanzmaterials auf vorbereitetem Untergrund
März Entfernen aller Seitentriebe, leichter Rückschnitt der Mittelachse
April/Mai Kerben zur Verzweigungsförderung
August Einkürzen aller Seitentriebe um 30 – 50%.
Jahr 01
April Rückschnitt aller Seitentriebe auf Triebbasis mit Blütenknospen und mind. 1 Blattknospe; Mittelachse einzeln stellen und zurückschneiden um 30 – 50 %
April/Mai Kerben zur Verzweigungsförderung
Juni Ernte
September Einkürzen aller Seitentriebe um 30 – 50%
Jahr 02
April Rückschnitt aller Seitentriebe auf Triebbasis mit Blütenknospen und mind. 2 Blattknospen in unterer Kronenhälfte und mind. 1 Blattknospe in der oberen Kronenhälfte; Mittelachse einzeln stellen und zurückschneiden um 30 – 50 %
April Rückschnitt mehrjähriger Seitentriebe auf lange Zapfen
April/Mai Kerben zur Verzweigungsförderung
Juni Ernte
September Einkürzen aller Seitentriebe um 30 – 50%
ab Jahr 03
April Rückschnitt aller Seitentriebe auf Triebbasis mit Blütenknospen und mind. 2 Blattknospen in unterer Kronenhälfte und mind. 1 Blattknospe in der oberen Kronenhälfte; Mittelachse einzeln stellen und zurückschneiden um 30 – 50 %
April Rückschnitt mehrjähriger Seitentriebe auf lange Zapfen
April/Mai Kerben zur Verzweigungsförderung
Juni Ernte
September Einkürzen aller Seitentriebe um 30 – 50%

Pflanzmaterial

Das Anbausystem setzt die Nutzung von schwachwuchsinduzierenden Unterlagen voraus. Als Gießener Selektionen bekannt, eignen sich Gisela 5 und Gisela 6 als Unterlagen. Sie schließen den Trieb früh ab und sind an Boden und Sorten anpassungsfähig. Sie bieten ein jährlich ausreichendes, gleichmäßiges und ausgewogenes Wachstum. Das Pflanzmaterial sollte möglichst kurze Internodien aufweisen, einjährig veredelt worden und unverzweigt sein.


Sorten

Für den Anbau eignen sich auf Grund des intensiven Anbausystems mit erhöhtem Pflegeaufwand vor allem Premiumsorten mit entsprechenden absatzwirtschaftlichen Voraussetzungen. Im Praxisanbau des Dienstleistungszentrums Rheinpfalz am Versuchsstandort Oppenheim sind derzeit die Sorten Axel, Ferrovia, Kordia und Regina im Freiland etabliert.


Pflanzdichte

Bei diesem Anbausystem handelt es sich um die intensivste Form des Anbaus. Bis zu 5556 Bäume pro Hektar werden in einem Abstand von 0,5 m (Gisela 5) bzw. 0,8 m (Gisela 6) gepflanzt. Der Abstand zwischen der Reihe orientiert sich an der Bearbeitungstechnik und liegt im Schnitt zwischen 3,25 m bis 3,5 m.


Schnitt

Das Fruchtholz befindet sich überwiegend an der Basis einjähriger Triebe, deren Blütenknospen die größten Früchte bringen. Bukett-Triebe sind als Fruchtholz nicht gewünscht. Aus diesem Grund werden die Bäume zweimal pro Jahr, während der Blüte (Frühjahrsschnitt) und nach der Ernte (Sommerschnitt), geschnitten. Das Ziel dieser Schnittmaßnahmen ist die Förderung des Blütenansatzes, die Formierung der Bäume und die Sicherstellung ausreichender Belichtung für die Seitenverzweigung. In Bodennähe werden tendenziell mehr vegetative Knospen erhalten, um an der Basis des Baums das Wachstum zu fördern und einer Kopflastigkeit der Baumspitze und einer Vergreisung der Basis entgegenzuwirken. Auf diese Weise wird die Schattierung reduziert und unten eine Assimilationsfläche angesammelt.

Frühjahrsschnitt

Der Schneidetermin erfolgt dazu im Übergang zwischen dem Beginn der Blüte (BBCH 60) bis zur Vollblüte (BBCH 65), der sich zeitlich zwischen Mitte Ende März bis Mitte April befinden kann. Entscheidend ist die eindeutige Identifikation der vegetativen und generativen Knospen. Zu späte Schnitttermine (während und nach der Vollblüte) wirken sich nachteilig auf die Fruchtgröße aus.

Beim Frühjahrsschnitt werden diesjährige Triebe auf 1 – 3 vegetative Knospen eingekürzt, um einen achsennahen Neuaustrieb zu erhalten. Die Differenzierung der Einkürzung erfolgt in Abhängigkeit zur Baumhöhe. Es wird dabei unterschieden in den unteren Bereich in etwa 0 cm bis ca. 90cm Baumhöhe, den mittleren Bereich mit 90cm Baumhöhe bis 180cm und den Bereich über 180cm.

  1. Oberer Bereich: Der Austrieb wird im oberen Bereich bis auf 1 Laubblatt (vegetative Knospe) nach der Blüte (generative Knospe) eingekürzt.
  2. Mittleren Bereich: Der Austrieb wird im mittleren Bereich bis auf 2 Laubblätter (vegetative Knospen) nach der Blüte (generative Knospe) eingekürzt.
  3. Unterer Bereich: Der Austrieb wird im unteren Bereich bis auf 3 Laubblätter (vegetative Knospen) nach der Blüte (generative Knospe) eingekürzt.

Die Distanz zwischen der letzten vegetativen Knospe und dem Abschnitt ist nicht relevant.

Video: Frühjahrsschnitt beim Superspindelanbau
<mediaplayer width='250' height='180'> https://youtu.be/fOfUAFIX_xI </mediaplayer>

Sommerschnitt

Die neuen Triebe werden im August zur Stärkung der basalen Blütenknospen eingekürzt. Diese Schnittmaßnahme kann zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit maschinell erfolgen. Beim Sommerschnitt wird ein Drittel bis zur Hälfte des neuen Austriebs abgenommen. Durch veränderten Hormonfluss wird die Blütenknospenbildung für das neue Jahr gefördert.

Verzweigungsförderung durch Kerben

Durch eine Verletzung der Rinde kann während der Winterruhe über den Seitenknospen, die Verzweigung angeregt werden. Dazu wird an den Stellen, an denen die Terminale austreiben soll, ein Stückchen Rinde entfernt. (Eisensäge, Messer). Die Wirkung des Kerbens regt die Zellteilung an, worauf im Austrieb eine vegetative Knospe entstehen kann. Diese Maßnahme ist hinreichend früh zu tätigen, denn je später es im Jahr durchgeführt wird, umso schlechter ist die Wirkung dieser Maßnahme.


Technische Einrichtungen zur Förderung der Kulturführung

Im Allgemeinen wird eine Bewässerungsanlage und auch Maßnahmen zum Schutz vor extremen Witterungseinflüssen (Frostschutzberegnungsanlagen, Hagelnetze) empfohlen. Da es sich um die Erzeugung von Früchte für das Premium Segment handelt, sollten sämtliche Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, um eine abgesicherte Fruchtqualität zu erhalten.

Ertragsniveau

Der Ertrag ist auf ein mittleres bis niedriges Niveau ausgerichtet. Das heißt, es werden pro Baum zwischen 0,8 - 3 kg Premiumfrüchte mit Kalibern um rund 30 mm erzielt. Pro Hektar können mit diesem Anbausystem in etwa 15 – 25 Tonnen erwirtschaftet werden.

Vorteile des Kultursystems

  1. Erste Erträge können bereits ab dem zweiten Standjahr geerntet werden.
  2. Das Schnittverfahren ist unkompliziert und einfach zu erläutern.
  3. Die Kulturmaßnahmen sind aus Sicht des Arbeitsverfahrens in vielen Hinsichten als effizient und rationell zu betrachten.
  4. Die hohen Anfangserträge können die Amortisationszeit verkürzen

Nachteile des Kultursystems

  1. Die Kosten für die Anlagenerstellung erhöhen das Investitionsrisiko
  2. Die Organisation des genauen Schnitttermins zur Blütezeit

Siehe auch

http://www.dlr.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/se_quick/44DE6BA85FC5B0F4C1256F56004B0E55?OpenDocument
https://de.wikipedia.org/wiki/Anbausystem_%28Obstbau%29
http://www.poma-online.de/Erziehungsformen-fuer-Kirschen,QUlEPTM3OTQyNDgmTUlEPTczNjk4.html
http://www.liebegg.ch/upload/cms/user/AnbauempfehlungObstregionNordwestschweiz20161.pdf


Ansprechpartner für Anbaufragen

  • Hilsendegen Peter, Mitarbeiter beim Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinpfalz

Beratungsschwerpunkte: Anbauberatung, Bewässerung, Düngung, Pflanzenschutz, Versuchswesen

 Email: Peter Hilsendegen, DLR
  • Balmer Martin , Mitarbeiter beim Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinpfalz

Beratungsschwerpunkte: Anbauberatung

 Email: Martin Balmer, DLR

Quellen

P. Hilsendegen: mündliche Mitteilung
M. Balmer, J. Lorenz (2010): Intensivierung im Tafelkirschenanbau. DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau. Rheinbach.
Winter, F. (1992): LUCAS‘ Anleitung zum Obstbau. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart.