Stickstoffdüngung nach den N-Sollwert-Systemen - Nmin, KNS und N-Expert

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Das Nmin-System[1], das Kulturbegleitenden-Nmin-Sollwert-System (KNS)[2] und N-Expert[3] sind drei Methoden, nach denen der Stickstoffdüngungsbedarf im Freilandgemüsebau ermittelt werden kann. Diese drei Systeme sind zeitlich nacheinander entwickelt worden. Sie bauen aufeinander auf und haben viele Gemeinsamkeiten. Zu beachten sind jedoch die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs N-Sollwert.

Nmin-System

Bei der Stickstoffdüngung nach dem Nmin-System wird der mineralische Stickstoff (NO3-N + NH4-N = Nmin-Vorrat) in der von den Wurzeln nutzbaren Bodenschicht gemessen und bei der Berechnung der N-Düngung berücksichtigt. Zahlreiche Feldversuche haben gezeigt, dass der Nmin-Vorrat des Bodens von den Pflanzen wie Düngerstickstoff genutzt wird und daher vollständig angerechnet werden kann [1].

Nach dem Nmin-System wird der N-Düngungsbedarf berechnet aus:

+ Nmin-SollwertNmin-Vorrat 
---------------------
= N-Düngungsbedarf

Der Nmin-Vorrat wird durch die Entnahme von Bodenproben ermittelt. Die Bodenproben werden aus unterschiedlichen Bodentiefen entnommen, in Abhängigkeit davon, wie groß die Durchwurzelungstiefe der Pflanzen ist. Die Größe des Nmin-Sollwerts richtet sich nach der zu düngenden Pflanzenart und der Ertragserwartung. Nmin-Sollwerte müssen in Düngungsversuchen ermittelt werden. Diese Versuche wurden bisher jedoch nur für einen Teil der kommerziell wichtigen Gemüsearten durchgeführt. Ursache dafür ist der hohe Aufwand für die Durchführung von Versuchen und die große Zahl der angebauten Arten.

Darüber hinaus ist für einige Gemüsearten mehr als ein Nmin-Sollwert erforderlich, da die Düngung an das Kulturverfahren bzw. die Ertragserwartung angepasst werden muss. Dies soll am Beispiel von Weißkohl deutlich gemacht werden: für den Frischmarkt produzierter früher Weißkohl hat einen N-Bedarf von etwa 280 kg N ha-1. Weißkohl, der für die industrielle Verarbeitung angebaut wird, kann mehr als 400 kg N ha-1 aufnehmen. Dieser große Unterschied muss natürlich bei der N-Düngung berücksichtigt werden. Da Gemüse auf Böden mit sehr unterschiedlichen Mineralisierungspotenzialen angebaut wird, muss für die Ableitung einer N-Düngungsempfehlung auch die Variabilität der N-Mineralisierung aus der organischen Bodensubstanz beachtet werden. Insgesamt gibt es so viele Einflussgrößen auf den N-Düngungsbedarf, dass es unmöglich erscheint, für alle für alle Gemüsearten und für alle Kulturverfahren Düngungsversuche durchzuführen, um Nmin-Sollwerte zu bestimmen.


KNS

Als Alternative zur Durchführung von Versuchen ist es möglich, Nmin-Sollwerte zu kalkulieren, wie dies im Kulturbegleitenden-Nmin-Sollwert-System (KNS) beschrieben wurde. Mit dem KNS-System ist es möglich, N-Sollwerte nicht nur für den Beginn der Kultur, sondern auch für beliebige Zeitpunkte während des Pflanzenwachstums – kulturbegleitend – zu berechnen und so die N-Düngung flexibel an den Bedarf der Pflanzen anzupassen.


N-Expert

Das N-Expert System baut auf den Ansätzen des Nmin-Systems und des KNS-Systems auf. Genau wie im Nmin-System wird in N-Expert der N-Düngungsbedarf berechnet, indem der Nmin-Vorrat vom N-Sollwert abgezogen wird.

+ Nmin-SollwertNmin-Vorrat 
---------------------
= N-Düngungsbedarf

Der N-Sollwert aber wird in N-Expert – ähnlich wie im KNS-System – nicht in Düngungsversuchen bestimmt, sondern berechnet. Dazu wird die N-Aufnahme der Gemüseart zum Nmin-Mindestvorrat addiert und die Netto-N-Mineralisierung abgezogen:

+ N im Aufwuchs
+ Nmin-Mindestvorrat
- Netto-N-Mineralisation
---------------------------
= N-Sollwert

Die drei Komponenten dieser Kalkulation – N im Aufwuchs, Nmin-Mindestvorrat und Netto-N-Mineralisation – sollen nachfolgend näher erläutert werden.


N im Aufwuchs

Weisskohl - Frischmasse und Naehrstoffbedarf


Die Stickstoffmenge, die von den Gemüsepflanzen aufgenommen werden muss, um gute Erträge und gute Qualitäten zu bilden, hängt stark von der angebauten Pflanzenart ab. Sie liegt in einem Bereich von etwa 45 kg N ha-1 (Feldsalat) bis über 400 kg N ha-1 (Rosenkohl). Aber auch der Standort, das Kulturverfahren und die damit verbundene Sortenwahl haben großen Einfluss auf die gebildete Pflanzenmasse und damit auf die Menge des aufgenommenen Stickstoffs. Die Abbildung rechts zeigt den Einfluss von Sorte und Kulturdauer am Beispiel von Weißkohl für den Frischmarkt und Weißkohl für die Verarbeitungsindustrie.

Für die in N-Expert verwendeten Daten wurden zahlreiche Pflanzenbestände an vielen Standorten in Deutschland untersucht und Schätzwerte berechnet, die die mittlere N Aufnahme und einen typischen Schwankungsbereich beschreiben.







Nmin-Mindestvorrat

Unter Nmin-Mindestvorrat wird die N-Menge verstanden, die im durchwurzelten Bodenbereich mindestens vorhanden sein muss, um die angestrebte N-Versorgung der Pflanzen sicherzustellen.

Ein ausreichend hoher Mindestvorrat ist besonders dann von Bedeutung, wenn die Ernte später als geplant durchgeführt werden muss, N-Verluste durch hohe Niederschläge auftreten und die N-Mineralisierung niedriger ist als erwartet. Gemüsearten, die bis zur Ernte eine hohe N-Aufnahmerate aufweisen und die hinsichtlich Ertrag und Qualität besonders stark auf N-Mangel reagieren, benötigen einen Nmin-Mindestvorrat von bis zu 50 kg N ha-1 zum Erntetermin (z.B. Stangensellerie, Bundzwiebeln). Im Gegensatz dazu wird ein sehr niedriger Mindestvorrat angestrebt, wenn höhere N-Angebote nicht ertragsfördernd wirken und die Qualität negativ beeinflussen. So werden z.B. die Standfestigkeit von Rosenkohl, der Nitratgehalt von Möhren, und die Treibqualität von Chicorée durch zu hohe N-Angebote negativ beeinflusst.

Es ist zu beachten, dass die Nmin-Mindestvorräte zum Kulturbeginn für einige Arten deutlich höher liegen, als die Mindestvorräte zum Erntezeitpunkt. Die Erfahrungen der Pfälzer Düngungsberater[4] zeigen zum Beispiel, dass viele Pflanzgemüse bei einer sehr frühen Pflanzung mindestens 80 kg N ha-1 in der Bodenschicht 0 bis 30 cm benötigen. Damit Kopfsalate im Sommer und Herbst genügend Umblatt bilden, muss zur Pflanzung mindestens 60 kg N ha-1, bei Blumenkohl und Brokkoli mindestens 80 kg N ha-1 vorhanden sein.

Nmin-Mindestvorräte sind keine pflanzenphysiologischen Werte, die sich direkt an einer Pflanze messen lassen. Es handelt sich eher um agronomische Erfahrungswerte, die aber durch mehrere physiologischen Eigenschaften der Pflanzen beeinflusst werden, z.B. durch die Wachstumsgeschwindigkeit von Spross und Wurzel und die Nährstoffaufnahmefähigkeit der Wurzeln. Die für die unterschiedlichen Gemüsearten empfohlenen Nmin-Mindestvorräte sind Erfahrungswerte, die auf Messungen des Nmin-Restes in Düngungsversuchen und in optimal gedüngten Beständen beruhen. Einen Bericht über einen Feldversuch zur Bestimmung des Nmin Mindestvorrats für Kohlrabi gibt es hier[5]


Netto-N-Mineralisation

Für die Methoden zur Abschätzung der N-Mineralisierung bei der Anwendung des KNS-Systems und N-Experts gibt es verschiedene Ansätze.
Die N-Mineralisierung kann im Feldversuch bestimmt werden, z.B. indem von einer unbewachsenen und ungedüngten Parzelle regelmäßig Nmin-Bodenproben genommen werden. Dabei ist es empfehlenswert, für eine gleichmäßige Bodenfeuchte zu sorgen, indem die Parzelle durch ein Dach vor Starkniederschlägen geschützt und bei Trockenheit bewässert wird.

Stehen keine Messergebnisse zur Verfügung, ist man auf Schätzungen angewiesen. Die N-Mineralisierung kann aus den Bodeneigenschaften (Humusgehalt, Korngrößenverteilung), Standorteigenschaften (Jahresmitteltemperatur, Niederschlag) und der Bewirtschaftung (Humusbilanz) individuell für jedes Feld abgeschätzt werden. Diese Schätzung ist jedoch nicht viel genauer als die Verwendung von Faustzahlen. Als mittlere Faustzahl für unbewachsene und ungedüngte Parzellen auf gemüsebaulich genutzten Standorte ohne intensive organische Düngung gilt in den Sommermonaten eine Netto-N-Mineralisierung von 5 kg N ha-1 Woche-1. Da die Mineralisierung von der Bodentemperatur abhängt, sollte man den Schätzwert für kalte Böden im Frühjahr halbieren.

Netto-N-Mineralisation-1
Netto-N-Mineralisation-2

Es ist jedoch zu beachten, dass Messwerte der N-Mineralisierung von einer ungedüngten unbewachsenen Parzelle nicht vollständig auf einen gedüngten Pflanzenbestand übertragen werden können. Daher ist es zu empfehlen, die N-Mineralisierung aus den N-Bilanzen von Düngungsversuchen abzuleiten. Dazu wird das N-Angebot (Nmin-Vorrat + N-Düngung) mit der N-Wiederfindung (N im oberirdischen Pflanzenmaterial + Nmin-Rest im Boden) verglichen. Die beiden Abbildungen zeigen am Beispiel eines Düngungsversuchs mit Kohlrabi, dass die N-Wiederfindung am Ende des Versuchs in allen Düngungsstufen größer war als das N-Angebot am Beginn des Versuchs. Dieser Bilanzüberschuss wird Netto-N-Mineralisierung genannt, da er das Netto-Ergebnis weiterer N-Quellen und N-Senken ist. Als N-Quellen sind hier die N-Mineralisierung aus Humus und der N-Eintrag aus der Luft zu nennen. Mögliche N-Senken sind die N-Aufnahme von Mikroorganismen, N-Verlagerung durch Niederschläge oder Beregnung, gasförmige N-Verluste sowie die N-Menge in Feinwurzeln. Ein genauerer Blick auf die Netto-N-Mineralisierung zeigt, dass sie mit zunehmendem N-Angebot geringer wird. Dieser Zusammenhang wurde in zahlreichen Düngungsversuchen bestätigt. Er ist dadurch zu erklären, dass die oben genannten N-Senken mit zunehmendem N-Angebot größer werden, während die N-Quellen konstant bleiben. Daher sollte die Höhe des N-Angebots bei der Bestimmung der Netto-N-Mineralisation berücksichtigt werden.

Meistens liegen jedoch keine standortbezogenen Messwerte für die unterschiedlichen N-Quellen und N-Senken vor, da alle diese Messungen sehr aufwändig sind. Dann ist es zu empfehlen, Schätzwerte der Netto-N-Mineralisation zu verwenden. Diese Schätzwerte sind Mittelwerte aus vielen Düngungsversuchen. Sie zeigen, dass bei lang stehenden Kulturen mit verhältnismäßig geringem N-Bedarf (z.B. Möhren) die Netto-N-Mineralisierung einen wesentlichen Anteil an der N-Versorgung der Pflanzen hat. Bei kurzen Kulturen mit hohem N-Bedarf (z.B. Brokkoli) ist die Netto-N-Mineralisation vernachlässigbar gering, da dann N-Quellen und N-Senken etwa gleich groß sind.


N-Expert Software

Die Düngungsempfehlungen nach N-Expert können mit Hilfe der Daten aus der Tabellensammlung mit „Papier und Bleistift“ berechnet werden. Es ist aber auch möglich, das N-Expert Computerprogramm zu verwenden, das mit derselben Tabellensammlung arbeitet, die Handhabung der Daten aber stark vereinfacht und Rechenfehler verhindert. Auch die N-Menge aus Ernterückständen einer Vorkultur (siehe nächstes Kapitel) wird im N-Expert Computerprogramm automatisch berücksichtigt. Darüber hinaus können Nährstoffbilanzen für einzelne Felder oder für den ganzen Betrieb erstellt und gedruckt werden. Das Programm kann kostenlos von http://www.igzev.de/user/N-Expert/index.php geladen werden.

N aus Ernterückständen

Blumenkohl-Pflanzen vor und nach der Ernte

Unabhängig davon, ob der N-Düngungsbedarf nach dem Nmin-System, nach KNS oder nach N-Expert berechnet wurde, müssen Ernterückstände einer Vorkultur bei der Düngung berücksichtigt werden, wenn im gleichen Jahr eine nachfolgende Kultur angebaut wird. Dies ist im Freilandgemüsebau besonders wichtig, da von vielen Gemüsearten nur ein kleiner Teil der Gesamtmasse als Erntegut abgefahren wird und daher eine große Menge auf dem Feld verbleibt. Die Abbildung zeigt Blumenkohlpflanzen vor und nach der Ernte. Die N-Mengen in Ernterückständen von Gemüse liegen in einem Bereich von weniger als 20 kg N ha-1 (Bundmöhren, Feldsalat, Radies) bis über 150 kg N ha-1 (Blumenkohl, Brokkoli, Wirsingkohl), wenn praxisüblich geerntet wurde. Wenn die Kultur wegen Qualitätsmängeln oder Absatzproblemen nur unvollständig beerntet wird, sind die Rückstandsmengen entsprechend höher.

Im Mittel kann etwa 50% der in den Ernterückständen enthaltenen Stickstoffmenge bei der Düngung einer nachfolgenden Kultur angerechnet werden.

Gleichmäßiges Einfräsen in einen lockeren, nicht zu nassen Boden kann die N-Menge, die pflanzenverfügbar wird erhöhen. Hingegen vermindern das Mulchen von Ernterückständen oder das Einpflügen die pflanzenverfügbare N-Menge, da gasförmige Stickstoffverluste (Denitrifikation) zunehmen, besonders wenn der Boden vernässt oder verdichtet ist. Unter diesen Bedingungen ist von einer N-Ausnutzung von nur 40% oder weniger auszugehen[6].

Die N-Mineralisierung von Ernterückständen ist auch abhängig von der Bodentemperatur und der Art des Pflanzenmaterials. In der Zeit von Mai bis September dauert der Abbau etwa 4 Wochen (z.B. Blätter) bis 8 Wochen (z.B. Erbsenstroh). Stark verholzte Pflanzenteile (z.B. Strünke von Blumenkohl oder Rosenkohl) benötigen mehrere Monate bis zum vollständigen Abbau.

Einzelnachweise

  1. a b Scharpf, H.C. 1991. Stickstoffdüngung im Gemüsebau. Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Bonn. AID-Nr. 1223, 35 S.
  2. Lorenz, H.P., Schlaghecken, J., Engl, G. 1989. Ordnungsgemäße Stickstoffversorgung im Freiland-Gemüsebau nach dem Kulturbegleitenden Nmin-Sollwerte(KNS)-System. Ministerium Landwirtschaft, Weinbau Forsten Rheinland-Pfalz, 85 S.
  3. Fink, M., Scharpf, H.C. 1993. N-Expert – A decision support system for vegetable fertilization in the field. Acta Horticulturae 339, 67-74.
  4. Schlaghecken, persönliche Mitteilung
  5. Fink, M. 2002. Der notwendige Nmin-Rest zum Erntezeitpunkt - Für Kohlrabi sind 40 kg N ha-1 genug. Gemüse (München) 2/2002, S. 19-20.
  6. Scharpf, H.C., Schrage, R. 1988. Größenordnungen und Einflußfaktoren der Freisetzung von Stickstoff aus Ernterückständen im Gemüsebau. VDLUFA-Schriftenreihe 2, 81-95.