Schnitt von Hochstämmen

Aus Hortipendium
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Streuobstwiesen mit hochstämmigen Obstbäumen erfreuen sich weiterhin einer großen Beliebtheit bei Kommunen und Gemeinden. Ob als Ausgleichsfläche oder für das Ökokonto, Streuobstwiesen werden gerne angelegt. Doch in der Vergangenheit wurde manchmal nach dem Motto gehandelt: „Gepflanzt ist schnell...“und vielfach waren die Folgekosten für die Pflege höher als erwartet oder konnten nicht bezahlt werden. So standen sie dann bisweilen da, die frisch gepflanzten Bäume bester Qualität, nicht gepflegt, gewässert und gedüngt und nicht selten vor lauter Unkraut nicht mehr wieder zu finden. Glücklicherweise hat man dann aber schnell erkannt, das nur mit der Strategie „Pflege durch Nutzung“ eine Erhaltung der Streuobstwiesen möglich ist. In diesem Zusammenhang haben sich mittlerweile vielerorts Initiativen und Vereine gegründet mit dem Ziel der Förderung und Erhaltung von Streuobstwiesen. Sie bemühen sich nach Kräften um Pflanzung, Schnitt und Pflege sowie die Verwertung der Früchte.

Kronenform

In der freien Natur wachsen die meisten Baumobstarten pyramidenförmig. Nach dem Vorbild der Natur wurde im Erwerbsanbau sowie im Garten die Pyramidenkrone abgeleitet. Eine solche Krone hat eine deutliche Gliederung in Stamm - Stammverlängerung (Mitteltrieb) – Leitäste verschiedener Ordnung mit Fruchtästen und -trieben. Bei natürlichem Wachstum ohne Fremdeinwirkung wächst der Mitteltrieb immer am stärksten (Gesetz der Spitzenförderung oder Apikaldominanz), alle anderen Triebe sind räumlich klar untergeordnet. Das Streben aller Pflanz-, Erziehungs- oder Verjüngungsschnitte sollte letztenendes darauf abzielen, dieser natürlichen Vorgabe so nahe wie möglich zu kommen. Denn eine schlanke Spitze und eine entsprechend ausladende Basis garantieren ein harmonisches Wechselspiel zwischen Triebwachstum, Blühverhalten und Ertrag. Wird diese natürliche Ordnung der Triebspitzenförderung gestört – sei es beispielsweise durch Beschädigung des Mitteltriebes oder unsachgemäßen Schnitt – so kommt es zu Störungen im natürlichen Ablauf und Wachstumsverhalten. Für das weitere Verständnis ist die Kenntnis der Wachstumsgesetze sinnvoll.

Wachstumsgesetze

Spitzenförderung

Das stärkste Triebwachstum findet man an der höchsten Stelle im Baum, meist am Mitteltrieb. Die obersten, am höchsten stehenden Knospen treiben auch am stärksten aus, das ist die Basis für einen pyramidalen Aufbau, d. h. die Krone ist unten breiter und verjüngt sich nach oben. Bei Störungen (s. o.) können auch mehrere Konkurrenztriebe um diese Spitzen-Position kämpfen.

Oberseitenförderung

Senken sich die Triebe im Laufe Ihres Wachstums und mit zunehmendem Alter unter der Last der Früchte ab, so kann man feststellen, dass die Triebe auf der Oberseite in der Regel eine stärkere Förderung erhalten als die nach unten stehenden. Eine besondere Form der Oberseitenförderung ist die Scheitelpunktsförderung. Sie ist öfter anzutreffen bei älteren, ungepflegten Bäumen. Hier erfahren die Triebe am höchsten Punkt des Astsystems, auf dem Scheitelpunkt, die stärkste Förderung und demzufolge das stärkste Wachstum.

Basisförderung

Auch das Phänomen der Basisförderung ist häufig an älteren Bäumen anzutreffen. Hier fällt ins Auge, das die stärksten Triebe oft in der Nähe der Basis (Stamm) zu finden sind. Wie man sieht, spielt bei den Gehölzen die Frage nach dem Ort der Knospe oder des Triebes eine dominierende Rolle. Normal wächst immer die Spitzenknospe am stärksten (Spitzenförderung). Kippt dieser Trieb aus verschiedenen Gründen ab (Schädling, mechan. Beschädigung, Alter, Fruchtlast), so kann der Baum auch in der neuen Situation wieder festlegen, wo der höchste/günstigste Punkt ist für das Wachstum. Weiterhin kann man beobachten, das waagerecht stehende oder hängende Äste stets kürzer und fruchtbarer sind als steilwachsende. Diese Selbstregulation basiert auf der Hinwendung zum Licht und einem komplizierten Steuerungsmechanismus auf der Basis verschiedener Phytohormone. Wenn man mit offenen Augen durch die Natur geht, wird man genügend Beispiele für die genannten Gesetzmäßigkeiten finden.

Das sollte vermieden werden: ungeklärte Mitte

Schnitt und Erziehung

Aufgrund der extensiven Nutzung von Streuobstwiesen gilt bezüglich des Schnittes der Grundsatz: „Weniger ist mehr“. Das bedeutet, Schnitteingriffe sollten sich in allen Lebensabschnitten auf das absolut notwendige Maß beschränken.

Pflanzschnitt

Zur Pflanzung kommen meist sehr gute und oft auch teure Baumqualitäten. Doch nicht selten wird vergessen, diesen Bäumen etwas mit auf den Weg zu geben, nämlich eine angemessene Nährstoffversorgung zum Start. Im Förderprogramm „Umweltschonende Landbewirtschaftung - Erhaltung, Pflege und Neuanlage von Streuobstwiesen“ in Rheinland-Pfalz ist zwar in den ersten 4 Jahren eine Düngung möglich, jedoch nur mit Festmist oder Kompost. Doch dies kann beispielsweise auf schwachen Böden in niederschlagsarmen Gebieten nicht ausreichen. Nicht selten liest man auch in Pflanz-Anleitungen, dass Bäume nach dem Pflanzen nicht gewässert werden sollen. Dies mag auf schweren, tonhaltigen Böden mit ausreichendem Jahresniederschlag durchaus sinnvoll sein, auf einem leichten Sandboden mit jährlich 400 mm bedeutet das Kümmerwuchs und Absterben. Auf solchen Standorten muss in den ersten Jahren unbedingt gewässert werden. Um ein sicheres und gutes Anwachsen zur gewährleisten, müssen sowohl Krone und auch die Wurzel entsprechend zurückgeschnitten werden. Die Wurzeln kürzt man mit der Schere oder einem scharfen Spaten auf eine Länge von ca. 10 cm ein. Bei der Formierung der Krone wählt man 3-4 Triebe in einer günstigen Position und vor allem mit einem guten Astabgangswinkel von 35-45°. Diese werden auf eine Höhe geschnitten (Saftwaage), wobei der Mitteltrieb etwa eine Scherenlänge darüber hinaus ragt. Mögliche Konkurrenztriebe müssen jetzt direkt entfernt werden, denn sie können sonst die ganze Krone durcheinander bringen. Grundsätzlich gilt: je schlechter die Anwachsbedingungen bzw. je später die Pflanzung, desto stärker der Pflanzschnitt. Nicht immer ist das Pflanzmaterial so gestaltet, dass formal ein optimaler Pflanzschnitt möglich ist.

Mögliche Fehler:

  • Zu schwacher Wurzel- bzw. Kronenschnitt
  • Wurzel- und Kronenvolumen sind nicht gut aufeinander abgestimmt worden
  • Keine Bodenverbesserung (z. B. durch Zumischung von Kompost beim Aushub oder Pflanzlochdüngung mit Depotdünger)
  • Keine Bewässerung im ersten Jahr
  • Schlechter Bodenschluss durch mangelndes antreten
  • Dadurch bedingt: Schlechtes Anwachsen und deswegen fehlende Triebleistung

Pflege der Baumscheibe

Wichtig: eine unkrautfreie Baumscheibe

In allen Hinweisen zum Streuobstanbau wird immer wieder auf die Bedeutung der Baumscheibe hingewiesen. Diese muss in den ersten Jahren unkrautfrei sein, damit dem heranwachsenden Baum keine Nährstoff und Wasserkonkurrenz entsteht. Die Realität sieht manchmal aber anders aus: Nicht selten steht die Magerrasen-, Wildblumen- oder sonstige Grünlandmischung kräftig und fidel in einer Höhe von 1,5 m direkt neben den Bäumen. Die vorgeschriebene späte Mahd (nicht vor dem 15. Juni) kann die Mangelsituation für die Bäume noch verstärken. In solchen Anlagen trifft man nach kurzer Zeit auf allerlei Probleme wie Wühlmäuse, Holzbohrer und vor allem kümmernde Bäume. Deshalb gilt: je schwächer der Standort, desto größer und freier der Baumstreifen!

Erziehungsschnitt in den ersten Jahren

Dienten die Streuobstwiesen früherer Jahre in erster Linie dem Erwerb bzw. Nebenerwerb, so hat sich ihre Bedeutung grundlegende geändert. Heute stehen lanschaftsästethische Überlegungen und insbesondere der Biotop- und Artenschutz im Vordergrund. Diese Nutzungsänderung ist auch verbunden mit einer Extensivierung der Flächen, so dass dem Faktor Ertrag nur eine untergeordnete Bedeutung zu kommt.

Bei den Schnitt-Maßnahmen in den nächsten Jahren sind 3 Aspekte besonders zu beachten: Zum einen wird die Krone in die Breite geöffnet, in dem auf günstig stehende Triebe nach außen abgeleitet wird. Ungünstig stehende und nach innen wachsende Triebe werden dabei gleich mit entfernt. Des weiteren gilt es, evtl. sich anbahnende Konkurrenzsituationen möglichst frühzeitig zu beseitigen. Diese entstehen oft im oberen Bereich in der Nähe der Triebspitze, wenn sich weitere Triebe anschicken, den Leittrieb wachstumsmäßig zu überholen. Am Anfang der Baumentwicklung ist das noch gut und schnell zu lösen, in späteren Jahren dagegen fast nicht mehr. Allgemein gilt die Empfehlung: „möglichst wenige größere Schnitteingriffe sind besser als viele kleine“

Mögliche Fehler:

  • Mitteltrieb fehlt
  • Konkurrenztriebe wachsen stärker als die Mitte
  • Wachstum zu stark, viele Wasserschosser (Standort, Düngung): die teilweise Verlegung der *Schnittmaßnahmen in den belaubten Zustand führt zu einer Triebberuhigung.
  • Wachstum zu schwach, kein Zuwachs: stärkerer Rückschnitt, Verbesserung der *Standortbedingungen (Düngung, Bewässerung, Abdecken der Baumscheibe).

Erhaltungsschnitt

Dieser zielt darauf ab, die Idealform der Pyramidenkrone zu erhalten. Da mit zunehmendem Baumalter der Schnittaufwand beträchtlich steigt, werden diese Maßnahmen in unregelmäßigen Abständen durchgeführt. Auch hier gilt wieder der Satz: „Weniger kann mehr sein“. Die alte Faustregel: „ nach dem Schnitt sollte man einen Hut durch einen Hochstamm werfen können“ sollte man nicht zu wörtlich nehmen, denn sie ist für den extensiven Streuobstbau nicht geeignet.

Tipps zum Schnitt

Betrachten Sie den gesamten Baum, besonders den oberen Teil. Hier findet man die häufigsten Abweichungen von der angestrebten Pyramidenform. Als erstes sollte man für klare Verhältnisse in der Spitze sorgen: Obstbäume brauchen einen klaren und dominanten Mitteltrieb. Konkurrierende Triebe führen zu verstärktem Wachstum und bringen Unruhe in den Kronenaufbau. Deshalb sollten Sie frühzeitig entfernt werden. „Wenige, größere Schnitteingriffe sind besser als viele kleine“. Man ist oft überrascht, welch positiven Effekt man bekommt, wenn man nur 1-2 stärkere Äste komplett entfernt. Zu schneidende Äste sollten konsequenterweise auf Astring entfernt werden. Mit Ausnahme des Pflanzschnittes gilt die Faustregel „Weniger (schneiden) ist mehr“.