Falscher Mehltau der Weinrebe

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche
Falscher Mehltau
Plasmopara viticola
(Berk. & M.A. Curtis) Berl. & De Toni, 1888
Synonyme
Peronospora viticola, Plasmopara amurensis, Botrytis viticola, Rhysotheca viticola, Lederbeerenkrankheit, Peronospora
Perobefall an Hausstamm (2).jpg
Systematik
Abteilung Oomycota
Unterabteilung Incertae sedis
Klasse Peronosporea
Unterklasse Peronosporidae
Ordnung Peronosporales
Familie Peronosporaceae
Gattung Plasmopara


Krankheitsbild

Alle grünen Rebteile können befallen werden. Blattbefall ist ab Mai möglich. Auf befallenen Blättern werden zunächst gelblich-ölige Aufhellungen (Ölflecken) sichtbar; kurz danach erscheint an diesen Stellen auf der Blattunterseite ein weißer Pilzrasen (Ausbruch), der allmählich nekrotisiert. Bei starkem Befall fallen die Blätter ab. An Gescheinen und jungen Beeren wird ebenfalls ein weißer Pilzrasen sichtbar. Ab Erbsengröße der Traubenbeeren entsteht kein Pilzrasen mehr, sondern der Pilz wächst im Beereninnern; die Beeren färben sich bläulich-violett (Lederbeeren). Nach dem Erreichen dieses Entwicklungsstadiums können Beeren nicht mehr infiziert werden.

Lebensweise

Entwicklungskreislauf der Perospona

Der Pilz ist ein obligater Endoparasit und wirtsspezifisch. Er ist stets auf grünes Rebgewebe angewiesen. Die Überwinterung erfolgt als Winterspore (Oospore) in befallenem Reblaub und Trauben und im Boden. Die dickwandigen Wintersporen sind Überdauerungssporen und über mehrere Jahre lebensfähig. Der erste Befall (Primärinfektion, Bodeninfektion) kann erst bei mindestens 8 °C Bodentemperatur und gut durchfeuchtetem Erdreich stattfinden. Die Wintersporen treiben einen Keimschlauch, an dessen Ende sich ein gestieltes Primärsporangium bildet. Diese Sporangien können durch Niederschläge auf grüne Rebteile verfrachtet werden und entlassen dort bis zu 60 bewegliche Sporen (Schwärmsporen, Zoosporen). Mithilfe von zwei Geißeln bewegen sich diese Zoosporen bis zu einer Spaltöffnung, werfen die Geißeln ab und bilden einen Keimschlauch, der als Pilzhyphe durch die Spaltöffnung in die Zellzwischenräume des Blattgewebes einwächst. Durch Verzweigung der Pilzhyphen entwickelt sich das auch als „Myzel“ bezeichnete Pilzgeflecht. Von den Hyphen ausgehend bilden sich „Saugfortsätze“ (Haustorien) in die Blattzellen wodurch der Pilz seine Nahrung bezieht. Auf dem Blatt werden dadurch die so genannten “Ölflecken” sichtbar. Außer Blättern können Gescheine und bei späteren Infektionen auch Trauben befallen werden.

Inkubationszeitkurve Perospona

Die Zeit von der Infektion bis zum Sichtbarwerden des "Ölfleckes" bezeichnet man als Inkubationszeit. Die Dauer der Inkubationszeit ist temperaturabhängig. Unter optimalen Bedingungen dauert die Inkubationszeit nur 4 Tage.
Nach Ablauf der Inkubationszeit wachsen bei Temperaturen ab ca. 12 °C, absoluter Dunkelheit und mehrstündiger Blattnässe durch Regen oder Tau neue Sporangienträger durch die Spaltöffnungen (Ausbruch). Die daraus entlassenen Zoosporen führen bei Feuchtigkeit auf der Blattunterseite und Temperaturen zwischen 6 °C und 30 °C zur zweiten Infektion. Der vorgenannte Ablauf wiederholt sich im Laufe des Sommers vielfach. Bei für Peronospora günstigen Witterungsbedingungen kommt es zu weiteren Infektionen, so dass sich die Krankheit epidemieartig ausbreiten kann.

Sommersporenform
Die Entwicklung erfolgt im Jahr mehrmals aufeinander.
1) Schnitt durch ein Rebblatt mit dem zwischen den Zellen wuchernden Pilzgeflecht.
2) Querschnitt eines Rebblattes. Aus der Spaltöffnung herauswachsende Sporenträger mit Sporenbehältern.
3) Sporenbehälter mit austretenden Schwärmsporen.
4) Schwärmsporen.
5) Schwärmer, Schwimmfäden abgestoßen.
6) Keimschlauch.
7) In die Öffnung eines Blattes einwachsender Keimschlauch.
Geschlechtliche Entwicklungsform
Bildung von befruchtenden Dauersporen (Wintersporen)
1a) Befruchtung der weiblichen Zelle
2a) Dickhäutige, Befruchtete Dauerspore (Winterspore)
3a) Keimschlauch mit Primärsporenbehältern, aus dem bis 60 Schwärmsporen hervorgehen

Zwischen dem Ausbruch und der Neuinfektion vergehen bei günstigen Bedingungen oftmals nur 4 Stunden. Besonders bei gewittrigen Starkregen können bis in den Sommer hinein Boden- und Blattinfektionen nebeneinander auftreten. Vorwiegend im Herbst bilden sich in befallenem Gewebe neue Oosporen (Wintersporen) als Voraussetzung für die Primärinfektion im kommenden Jahr.

Bekämpfung

Der Termin für die erste Bekämpfung der Peronospora kann recht einfach und damit für die Praxis ohne größere Hilfsmittel, aber auch recht differenziert mittels Agrarwetterstationen ermittelt werden. Praxisüblich ist bisher folgende Vorgehensweise:
Der amtliche Rebschutzdienst informiert darüber, ab wann die Keimfähigkeit der Wintersporen erreicht ist, was bei entsprechender Witterung zur Primärinfektion führen könnte. Von einer Primärinfektion muss ausgegangen werden, wenn nachfolgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Mindestens 10 mm Regen (zumindest teilweise als Platzregen) innerhalb von 2 - 3 Tagen
  • Mindestens 10 °C Lufttemperatur in diesem Zeitraum
  • Trieblänge 10 cm, da dann erst die Spaltöffnungen voll ausgebildet sind

Ab dem Datum der Primärinfektion wird die voraussichtliche Inkubationszeit dazugerechnet. Die Inkubationszeit wird anhand der jeweils regional ermittelten Temperaturverläufe vom amtlichen Rebschutzdienst ermittelt und bekannt gegeben. Vor Ablauf der Inkubationszeit ist zu behandeln, um die Zweitinfektion zu verhindern. Da die Inkubationszeit bei günstigen Witterungsbedingungen bis auf 4 Tage zurückgehen kann und bei "Peronosporawetter" ständig Infektionen stattfinden können, ist im weiteren Verlauf ein wirksamer Mittelbelag auf den grünen Rebteilen vorzuhalten. Die weiteren Spritzungen haben sich dann nach dem Witterungsverlauf, dem Ausmaß des Neuzuwachses sowie der Wirkungsdauer der eingesetzten Mittel zu richten. Die Abschlussbehandlung erfolgt zu Reifebeginn (Rebentwicklungsstadium 81, ES 81).
Bei der Bekämpfung in Jungfeldern und Rebschulen ergeben sich geringfügige Abweichungen. Aufgrund des starken Neuzuwachses sind diese ab Mitte Juni bis Anfang September bei Verwendung von Kontaktfungiziden wöchentlich, bei Verwendung lokalsystemischer Mittel im Abstand von 10-14 Tagen zu spritzen.
Neben der beschriebenen bisher üblichen Vorgehensweise, besteht auch die Möglichkeit Peronospora auf der Basis von Prognosemodellen zu bekämpfen. Grundprinzip dieser Modelle ist die genaue Messung der für die Lebensweise und das Auftreten relevanten Daten. Da gewittrige Niederschläge regional sehr unterschiedlich auftreten, muss je nach Geländestruktur ein mehr oder weniger dichtes Netz von Agrarwetterstationen zur Verfügung stehen. Auf die nähere Beschreibung dieser Prognosemodelle wird hier verzichtet.

Quelle

B. Altmayer, B. Fader, M. Harms, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2010): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 6. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße. 

Indes Fungorum

Weblinks