Kirschfruchtfliegen

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Kirschfruchtfliege
Rhagoletis cerasi, Rhagoletis cingulata
Kirschfruchtfliege auf Gelbtafel01SLFA-NW-RW.JPG
Europäische Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi)
Systematik
Klasse Insekten
Insecta
Unterklasse höhere Insekten
Pterygota
Ordnung Zweiflügler
Diptera
Unterordnung Fliegen
Brachycera
Familie Bohrfliegen
Tephritidae

Die in Europa beheimatete Kirschfruchtfliegen-Art Rhagoletis cerasi ist der Hauptschädling in Süßkirschen. Neuerdings wird aber auch die Amerikanische Kirschfruchtfliege Rhagoletis cingulata an verschiedenen Standorten in Europa beobachtet. [1] Nach eigenen Erfahrungen kann Rhagoletis cingulata auch in späten Süßkirschen Schaden verursachen. [2]


Wirtspflanzen

Für Rhagoletis cerasi besteht der Wirtspflanzenkreis aus Prunus avium, Prunus cerasus, Lonicera tataricum, Lonicera xylosteum, Symphoricarpus racemosus und Prunus padus.
Rhagoletis cingulata bevorzugt Prunus avium, Prunus cerasus, Prunus mahaleb, Prunus serotina und Prunus padus.


Beschreibung

Die heimische Europäische Kirschfruchtfliege Rhagoletis cerasi ist etwa 4 bis 5 mm lang. Auffallend ist das gelbe Scutellum auf dem glänzend schwarzen Körper, die Beine sind eher gelb, die Flügel haben schwarze Querbänder. Die Larve ist ca. 4 mm lang, madenförmig und weiß.

Die Amerikanische Kirschfruchtfliege Rhagoletis cingulata ist etwa 4 bis 5 mm lang. Das Scutellum ist weißlich, der Thorax ist schwarz mit gelben Flecken. Thibien und Tarsen sind gelblich, die Flügel zeigen schwarze Querbänder.

Flügelzeichnung von Rhagoletis cerasi, der Europäischen Kirschfruchtfliege, a: Akzessorisches Querband, aac: Querband an der Flügelspitze (anterior apical crossband)
Flügelzeichnung von Rhagoletis cingulata, der Amerikanischen Kirschfruchtfliege (Eastern Cherry Fruit Fly), s:Durchscheinendes Band oder Punkt an der Flügelspitze, pac: Hinteres Querband an der Flügelspitze (posterior apical crossband)

Zur Unterscheidung beider Arten wird unter anderem die Flügelbänderung herangezogen. Das Farbmuster der Flügel der Fruchtfliegen ist verlässlich für die Bestimmung der Gattungen und Arten. [3] Die Besonderheit der Europäischen Kirschfruchtfliege Rhagoletis cerasi ist das akzessorische Querband (accessory costal crossband) in der Flügelmitte, das bei der amerikanischen Art nicht zu finden ist. Außerdem besitzt die europäische Art an der Flügelspitze ein durchgängiges Querband (anterior apical crossband). Bei Rhagoletis cingulata wird diese Band teilweise durch ein am Rand gelegenes, durchscheinendes Band oder Punkt abgetrennt. Ferner ist bei Rhagoletis cingulata ist an der Flügelspitze ein hinteres Querband (posterior apical crossband) auszumachen. Dies ist bei der europäischen Art nicht zu finden. Aber die Flügelzeichnungen sind nicht die einzigen anatomischen Unterschiede. Es finden sich weitere Merkmale auf dem Femur (Schenkel), dem Thorax (Brustabschnitt) und dem Abdomen (Hinterteil) [4]


Entwicklung

Schematische Darstellung des Entwicklungszykluses der Europäischen Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi)

Die meisten Rhagoletis-Arten ähneln sich in ihrer Biologie. Beide Arten durchlaufen eine Generation pro Jahr (univoltine Entwicklung). Die Eier werden unter die Haut der Frucht der Wirtspflanze gelegt. Während der ersten Eiablage werden die Kirschfruchtfliegen durch gelbe Farbtöne, sowie den Gelbanteil in Blättern angelockt. Sie sprechen aber auch auf rote oder dunkle Kugeln etwa von der Größe der Kirschfrucht oder größer an. [5] [6]

Die Larven schlüpfen bei Rhagoletis cerasi nach sechs bis zwölf Tagen, bei Rhagoletis cingulata nach drei bis sieben Tagen. Die Larven überdauern und fressen in der Frucht. Rhagoletis cerasi üblicherweise sechs Wochen und zwei bis fünf Wochen bei Rhagoletis cingulata. Beide Kirschfruchtfliegen-Arten durchlaufen drei Larvenstadien. Die Larven verlassen die Frucht durch ein verhältnismäßig kleines Loch und fallen zu Boden oder wandern aus den abgefallenen Früchten aus. Durch Bodenrisse oder Furchen dringen sie in die obersten Bodenlagen ein und verpuppen sich in einer Tönnchenpuppe, auch Puparium genannt. Dies ist das Überwinterungsstadium für die Kirschfruchtfliegen. [6] [5][7] Die Puppen treten während der Wintermonate in die Diapause ein, die durch eine Periode von tiefen Temperaturen eingeleitet wird. Die Post-Diapause-Entwicklung beginnt im nächsten Frühjahr mit dem Eintreten wärmer Tage. Das Auftreten der Kirschfruchtfliegen verläuft parallel zur Reife der Wirtspflanzen. [8]

Rhagoletis cerasi und Rhagoletis cingulata überleben unterschiedlich lange in ihrer Umgebung. Die europäische Kirschfruchtfliege lebt ein bis zwei Monate, hingegen lebt die amerikanische Kirschfruchtfliege ungefähr 40 Tage. [5][7] Beide Arten sind an hellen und warme Tagen aktiv. Dabei ernähren sich die adulten Fliegen von Tautropfen oder Honigtau der Blattläuse sowie von verletzen Früchten. [5]

Die hauptsächliche Verbreitung der Kirschfruchtfliegen findet entweder über den Flug der ausgewachsenen Tiere oder über den Transport von infizierten Früchten statt. Der Flug der Insekten setzt sofort nach dem Schlupf aus dem Boden ein. Die Stärke des Befalls wird hauptsächlich von den klimatischen Verhältnissen während der Eiablage beieinflusst. Die Zahl und das Auftreten der adulten Insekten variiert in jeder Saison. Jahre mit gleichmäßig verteilten Niederschlägen und gemäßigten Temperaturen wirken sich günstig auf die Entwicklung der Tiere aus. Normalerweise ist ein Niederschlag ausreichend und erforderlich, um die obersten Bodenschichten einzuweichen, bevor die Fliegen den Boden verlassen. Trockenperioden zögern das Auftreten der Tiere heraus und der Flug erscheint unregelmäßig. [5] [9] Zudem können extrem harte Böden, zum Zeitpunkt des Eintritts der Larven in den Boden, die Population signifikant reduzieren. [5] [10]

Eine hemmende Wirkung für die Populationentwicklung haben niedrige Temperaturen und hohe Niederschläge zur Flugzeit. Die Europäische Kirschfruchtfliege legt bei Temperaturen um 20 / 21 °C ihre Eier in die Kirschen ab. Bei Temperaturen unter 16 °C setzt die Eiablage aus. Die Entwicklung der schlüpfbereiten Tiere stagniert bei Durchschnittstemperaturen von 10 °C. Sinkt die Temperatur unter 7 °C, werden die Tiere geschädigt und sterben ab. [6]

Die Früchte werden von den Kirschfruchtfliegen durch den Fraß der Larven in den Früchten geschädigt. Solange die Larven nicht ausgewachsen sind, ist den Früchten der Befall nicht anzusehen. Befallene Früchte erscheinen matt und stellenweise weich. Kernnah findet sich die Made. Die verlassenen Früchte besitzen ein Ausbohrloch nahe des Stiels. Nachdem die Made die Kirsche verlassen hat, erscheinen eingefallene Stellen an den Kirschen. Die Früchte sind durch den Fraß nicht mehr verkaufsfähig. Zudem sind sie Fäule-anfälliger und verderben am Baum. [10][5] Die Fliege befällt hauptsächlich mittelfrühe bis spät reifende Sorten Süß- als auch Sauerkirschsorten. [9]

Bekämpfung im Erwerbsanbau

Regulierung in der integrierten Produktion

Mittels Gelbtafeln ist eine einfache Positivprognose möglich. Werden Kirschfruchtfliegen gefangen, ist abhängig von der Fruchtentwicklung bzw. von der Wartezeit der eingesetzten Präparate die Bekämpfung zu planen. Beide Kirschfruchtfliegen-Arten beginnen mit der Eiablage ab dem Umfärben der Früchte von grün nach gelb bzw. gelbrot, können aber auch in bereits voll rot gefärbte Früchte Eier ablegen. Abhängig von der Reifezeit sind ein bzw. zwei Behandlungen ab dem Umfärben der Früchte erforderlich. Schadschwelle: Nulltoleranz, Negativprognose mittels Gelbtafel wie z.B. Rebell, o.ä.
Indikationszulassung aus PS Info

Regulierung im biologischen Anbau

Momentan sind die vorhandenen direkten Regulierungsmöglichkeiten für den biologischen Anbau nicht zufriedenstellend. Der Massenfang von Kirschfruchtfliegen mittels Gelbtafeln ist für Einzelbäume oder kleine Baumgruppen sinnvoll, jedoch für den Erwerbsobstanbau ungeeignet.

Zur Regulierung der Kirschfruchtfliege (Rhagoletis cerasi) ist ein Verfahren mit Ködersprays in der Entwicklung. Ködersprays bestehen aus einem Futterstoff (Proteine, Zucker) und einem Insektizid (z.B. NeemAzal-T/S). Bei der Ködersprayanwendung wird der Wirkstoff mit dem Futterstoff nur auf einen Teilbereich (Band) der Süßkirschbäume appliziert. Dabei sollen die adulten Fliegen, die zur Nahrungsaufnahme über die Früchte und Blätter laufen, durch die insektizidhaltige Futtermischung entweder abgetötet oder deren Reproduktion verhindert werden.


Einnetzung: Eine sehr effiziente indirekte Maßnahme stellt die kostenintensive Einnetzung der Süßkirschenanlage mit feinmaschigen Netzen mit einer Maschenweite nicht über 1,4 x 1,4 mm Größe dar. Durch das feinmaschige Netz werden die Kirschfruchtfliegen gehindert in den Bestand zu gelangen und Eier auf die Früchte abzulegen. Diese Maßnahme lässt sich bei bereits überdachten Anlagen, die zudem die Früchte vor dem Platzen und Fruchtfäule schützen, relativ einfach und auch kostengünstiger realisieren. Gleichzeitig dient sie der Vogelabwehr. Die Einnetzung erweist sich jedoch nur dann als effektiv und rentabel, wenn die Parzelle vor dem Anbringen der Netze kirschfruchtfliegenfrei ist.

Nachteilig bei der Einnetzung ist, dass sie auch das Einwandern von Nützlingen verhindert. Daher kann es vor allem bei der Schwarzen Kirschenlaus zu einer stärkeren Population kommen.

Bekämpfung im Hausgarten

Mit Gelbtafeln können zwar Kirschfruchtfliegen abgefangen werden, dadurch reduziert sich aber nicht die Eiablage. Die Fallen locken durch die gelbe Farbe, manche zusätzlich durch einen Lockstoff die Fliegen an, sie bleiben auf dem Leim kleben. Wie im Erwerbsgartenbau sind diese Fallen lediglich für eine Positivprognose zuständig. Gelegentlich kommt es vor, dass sich an der Falle auch einige nützliche Insekten fangen, was allerdings nicht populationsgefährdend ist. Die Fallen sollten nicht früher als angegeben aufgehängt und spätestens zur Kirschenernte abgenommen werden.

Die einfachste und schonenste Methode ist, die Kirschen immer rechtzeitig und vollständig abzuernten sowie herabfallende Früchte aufzulesen und zu vernichten.

Wer madenfreie Kirschen will, sollte frühe Sorten (1. - 3. Kirschwoche) pflanzen wie z. B. Frühe rote Meckenheimer, Burlat etc. Diese sind zwar etwas platzanfälliger, werden aber in der Regel von der Kirschfruchtfliege nicht befallen.

Aus rein technischen Gründen ist ein Einnetzen bei großen Bäumen (Hochstämmen) nicht bzw. nur teilweise (einzelne Äste) möglich. Einzelne, kleine Bäume können eingenetzt werden, jedoch ist das dichte Verschließen der Netze um den Stamm schwierig. Auf den Markt ist ein spezielles Schutznetz in Sackform für die Einnetzung kleinkroniger Obstbäume (bis 4 Meter Höhe und 1,8 m Durchmesser) erhältlich. Laut Angabe des Verkäufers hat ein solches Netz eine Lebensdauer von bis zu 10 Jahren, allerdings darf es nicht mit chlorhaltigen oder schwefelhaltigen Chemikalien in Kontakt kommen! Auch Vögel könnten sich darin verfangen. Daher sollte hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt und ggf. Vogelscheuchen aufgestellt werden. Entscheidend für den Erfolg sind die Zeitpunkte, zu denen die Netze aufgelegt und wieder abgenommen werden. Diese orientieren sich am Flug der Schadinsekten. Bei Kirschen reichen zwei Wochen Abdeckung.

Wirtschaftliches Problem

Da es unmöglich ist, befallene Früchte während der Ernte auszusortieren, ist es sehr schwierig, die Toleranzgrenze des Handels einzuhalten. Der Handel weist alle Kirschen zurück, die auch nur den geringsten Befall mit Larven aufweisen. [11] Da die Erntekosten für Kirschen hoch sind, können sich Preisabschläge für das Erntegut auf Grund der Nichteinhaltung der Grenzwerte in schwerwiegenden finanziellen Verlusten äußern. Pflanzenschutzmaßnahmen sind daher in vielen Kirschenanbaugebieten erforderlich. [12] Ein ökonomisch wichtiges Problem ist Rhagoletis cerasi insbesondere im biologischen Landbau. Zur Zeit gibt es keine wirksame Lösungsstrategie und kein wirksames Verfahren. [13] Die Einnetzung der Kirschenanlagen stellt eine Alternative für den Anbau ohne Insektizide dar, bringt aber hohe Kosten mit sich und richtet sich nur an den modernen Intensivkirschenanbau.

Einzelnachweise

  1. Stuke, J.-H.: Die Tepheritoidea (Diptera) Niedersachsens und Bremens.Abh. Naturwiss. Vereins Bremen, 46/2. Seite 329 - 355, 2008
  2. Dahlbender, W. und Hensel, G.: Pflanzenschutz in Süßkirschen. DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau, Oppenheim, 2010
  3. Foote, R.H.; Blanc, F.L.; Norrbom, Al.L. (1993): Handbook of the Fruit Flies (Diptera:Tephritidae) of America North of Mexico. Comstock Publishing Associates, a division of Cornell University Press, Ithaca (USA) and London. Seite 5 -7
  4. Caroll, L.E.; White, I. M.; Friedberg, A.; Norrbom, A.L. et.al. (2002): Pest Fruit Flies of the World: Descriptions, Illustrations, Identification and Information Retrieval. Version: 8 August 2002, gefunden am 07.04.2004 unter http://www.sel.barc.usda.gov
  5. a b c d e f g Howitt, A. (1993): Common Tree Fruit Pests, NCR 63 Michigan State University, gefunden am 07.04.2004 unter http://www.msue.msu.edu
  6. a b c Heinze, K. (1978): Leitfaden der Schädlingsbekämpfung, Band II: Schädlinge und Krankheiten im Obst- und Weinbau. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart. Seite 318 - 320
  7. a b Christenson, L.D. und Foote, R.H. (1960): Biology of fruit flies. Annual Review of Entomology, 5. Seite 171 - 192
  8. Boller, E.F. und Prokopy, R. (1976): Bionomics and managment of Rhagoletis. Annual Review of Entomology, 21. Seite 223 - 246
  9. a b Boller, E.F. (1966): Der Einfluss natürlicher Reduktionsfaktoren auf die Kirschfruchtfliege Rhagoletis cerasi L. in der Nordwestschweiz, unter besonderer Berücksichtigung des Puppenstadiums. Schweizerische Landwirtschaftliche Forschung, 5. Seite 153 - 210
  10. a b Lohrer, T. (1995): Kirschfruchtfliege. Pflanzenschutz-Info Nr. 3. Institut für Botanik und Pflanzenschutz, Informationsstelle Weihenstephan der Fachhochschule Weihenstephan. gefunden am 06.04.2004 unter http://www.faunistik.net
  11. Kneib, G. (2001): Expertenkolloquium Kirschfruchtfliege. BBA Dossenheim, 27. und 28. November 2001. Nachrichtenblatt Deutscher Pflanzenschutz, 54. Seite 78
  12. Robinson, A.S. und Hooper, G. (1989): Fruit Flies: Their Biology, Natural Enemies and Control, Volume 3A. Elsevier, Amsterdam - Oxford - New York - Tokyo. Seite 92, 281 - 283
  13. Vogt, H. und Köppler, K. (2004): Bearbeitung erster Ansätze für die Bekämpfung der Kirschfruchtfliege im ökologischen Landbau unter besonderer Berücksichtigung des Potentials entomopathogener Nematoden (Projektnummer 020E110)

Quellen

  • W. Jacobs, M. Renner und K. Honomichl (1998): Biologie und Ökologie der Insekten. Gustav Fischer Verlag. Stuttgart. ISBN 3-8274-0799-0
  • Werner Dahlbender und Günter Hensel (2010): Pflanzenschutz in Süßkirschen. DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau. Oppenheim. 
  • Jürgen Zimmer (2011): Ökologische Steinobstproduktion. DLR Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Gartenbau. Oppenheim. 


Weblinks