Integrierter Pflanzenschutz im kommunalen Bereich

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Grundlagen und Bedeutung des integrierten Pflanzenschutzes

In § 3 Abs. 1 des Pflanzenschutzgesetzes wird die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes gemäß Anhang III der Richtlinie 2009/128/EG (Richtlinie über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie)) gefordert. Ab 1. Januar 2014 sind diese Grundsätze verpflichtend anzuwenden und Pflanzenschutz darf nur nach guter fachlicher Praxis durchgeführt werden.

Unter integriertem Pflanzenschutz im Sinne des Gesetzes ist eine Kombination von Verfahren zu verstehen, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung biologischer, biotechnischer, pflanzenzüchterischer sowie anbau- und kulturtechnischer Maßnahmen die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird (§2 PflSchG).

Bei den Maßnahmen zur Einhaltung der guten fachlichen Praxis und den Maßnahmen im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes handelt es sich nicht um ein statisches System sondern neue Erkenntnisse und neu entwickelte Verfahren sollen die vorhandenen Maßnahmen stetig ergänzen bzw. novellieren.

Die Mitgliedsstaaten der EU sind verpflichtet, die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/128/EG in Form von „nationalen Aktionsplänen“ in nationales Recht umzusetzen. Gleichzeitig sollen sie nach Artikel 14 Absatz 4 sicherstellen, dass alle beruflichen Verwender von Pflanzenschutzmitteln diese Grundsätze auch anwenden. Gemäß Artikel 14 Ansatz 5 sollen die Mitgliedsstaaten darüber hinaus Anreize schaffen, „um die beruflichen Verwender zur freiwilligen Umsetzung von kulturpflanzen- oder sektorspezifischen Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz zu veranlassen.“

Zusammenfassend heißt das also, dass die Verwender von Pflanzenschutzmitteln zum einen gesetzlich verpflichtet sind, die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes anzuwenden, gleichzeitig sind sie darüber hinaus dazu aufgefordert, diese Grundsätze auf freiwilliger Basis anhand von Leitlinien für ihren jeweiligen Anwendungssektor zu optimieren.

Die Formulierung dieser Leitlinien erfolgt in Deutschland in Zusammenarbeit von Bund und Ländern, Verbänden und anderen Partnern. Beispielsweise steht das Julius Kühn-Institut (JKI) bei der Entwicklung der Leitlinien beratend zur Seite. Die Leitung bei der Erstellung der Leitlinien obliegt den Verbänden der Berufsstände.

Eine Leitlinie für den Sektor „Stadtgrün“ liegt bislang in Form eines Entwurfes von 2010 vor und kann auf der Internetseite des Forums „Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ zusammen mit Leitlinien für andere Sektoren / Kulturpflanzen eingesehen werden (Leitlinie für den Sektor Stadtgrün).

Die „Sektorspezifische Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz im Haus- und Kleingartenbereich“ (Stand Februar 2013) kann in manchen Bereichen zumindest teilweise auf den Sektor „Öffentliches Grün“ übertragen werden (Leitlinie für den Haus- und Kleingartenbereich).

Nachfolgend werden die acht allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes gemäß Anhang III der Richtlinie 2009/128/EG vorgestellt. Im Anschluss daran werden einzelne Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes mit Schwerpunkt "Öffentliches Grün" näher erläutert.

Die acht allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes

Im Anhang III der Richtlinie 2009/128/EG sind folgende Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes aufgeführt:

1. Die Vorbeugung und/oder Bekämpfung von Schadorganismen sollte neben anderen Optionen insbesondere wie folgt erreicht oder unterstützt werden:

  • Einhalten einer ausreichend weiten Fruchtfolge;
  • Anwendung geeigneter Kultivierungsverfahren (z. B. Unkrautbekämpfung im abgesetzten Saatbett vor der Saat/Pflanzung, Aussaattermine und -dichte, Untersaat, konservierende Bodenbearbeitung, Schnitt und Direktsaat);
  • gegebenenfalls Verwendung resistenter/toleranter Sorten und von Standardsaat- und -pflanzgut sowie zertifiziertem Saat- und Pflanzgut;
  • Anwendung ausgewogener Dünge-, Kalkungs- und Bewässerungs- sowie Drainageverfahren;
  • Vorbeugung gegen die Ausbreitung von Schadorganismen durch Hygienemaßnahmen (z. B. durch regelmäßiges Reinigen der Maschinen und Geräte);
  • Schutz und Förderung wichtiger Nutzorganismen, z. B. durch geeignete Pflanzenschutzmaßnahmen oder die Nutzung ökologischer Infrastrukturen innerhalb und außerhalb der Anbau- oder Produktionsflächen.

2. Nachhaltigen biologischen, physikalischen und anderen nichtchemischen Methoden ist der Vorzug vor chemischen Methoden zu geben, wenn sich mit ihnen ein zufrieden stellendes Ergebnis bei der Bekämpfung von Schädlingen erzielen lässt.

3. Die eingesetzten Pflanzenschutzmittel müssen so weit wie möglich zielartenspezifisch sein und die geringsten Nebenwirkungen auf die menschliche Gesundheit, Nichtzielorganismen und die Umwelt haben.

4. Der berufliche Verwender sollte die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß begrenzen (z. B. durch verringerte Anwendungshäufigkeit oder Teilflächenanwendung), wobei er berücksichtigen muss, dass die Höhe des Risikos für die Vegetation akzeptabel sein muss und das Risiko der Entwicklung von Resistenzen in den Schadorganismenpopulationen nicht erhöht werden darf.

5. Wenn ein Risiko der Resistenz gegen Pflanzenschutzmaßnahmen bekannt ist und der Umfang des Befalls mit Schadorganismen wiederholte Pestizidanwendungen auf die Pflanzen erforderlich macht, sind verfügbare Resistenzvermeidungsstrategien anzuwenden, um die Wirksamkeit der Produkte zu erhalten. Dazu kann die Verwendung verschiedener Pestizide mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen gehören.

6. Der berufliche Verwender muss auf der Grundlage der Aufzeichnungen über Pestizidanwendungen und der Überwachung von Schadorganismen den Erfolg der angewandten Pflanzenschutzmaßnahmen überprüfen.

7. Schadorganismen müssen mit geeigneten Methoden und Instrumenten, sofern solche zur Verfügung stehen, überwacht werden. Zu diesen geeigneten Instrumenten sind unter anderem Beobachtungen vor Ort und Systeme für wissenschaftlich begründete Warnungen, Voraussagen und Frühdiagnosen, sofern dies möglich ist, sowie die Einholung von Ratschlägen beruflich qualifizierter Berater zu zählen.

8. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Überwachung muss der berufliche Verwender entscheiden, ob und wann er Pflanzenschutzmaßnahmen anwenden will. Solide und wissenschaftlich begründete Schwellenwerte sind wesentliche Komponenten der Entscheidungsfindung. Bei der Entscheidung über eine Behandlung gegen Schadorganismen sind wenn möglich die für die betroffene Region, die spezifischen Gebiete, die Kulturpflanzen und die besonderen klimatischen Bedingungen festgelegten Schwellenwerte zu berücksichtigen.“

Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes im öffentlichen Grün

Für die nachfolgenden Ausführungen wurde der Inhalt der vorläufigen Fassung der Leitlinie zum Sektor „Stadtgrün“ teilweise übernommen und ergänzt.

Vorbeugende Maßnahmen gegen Schaderreger

Anbau- und kulturtechnische sowie pflanzenzüchterische Maßnahmen sorgen für optimale Wachstumsbedingungen und tragen dadurch zur Stärkung und Gesunderhaltung der Pflanzen bei. Gesunde Pflanzen sind widerstandsfähiger gegen Schaderreger. Zu diesen vorbeugenden Maßnahmen zählen

  • Auswahl standortgerechter Pflanzen bzw. Pflanzengesellschaften und geeigneter Pflegemaßnahmen (z.B. Bewässerung, Düngung), so dass die Pflanzen unter optimalen Wachstumsbedingungen gesund und somit widerstandsfähiger gegen Schaderreger sind (Arten- und Sortenbeschreibungen beachten!)
  • Standortgerechte und situationsbezogene Bodenbearbeitung: ausreichendes Erdvolumen, gütegesicherte Substrate
  • Standortbezogene Saat- und Pflanzzeiten sowie Saat- und Pflanzstärken
  • Resistenten bzw. weniger anfälligen Sorten und Pflanzenarten den Vorzug geben
  • Einhaltung von Hygienemaßnahmen: Verwendung von gesundem, möglichst zertifiziertem Pflanz- und Saatgut, Zurückschneiden oder Entfernen befallener Pflanzen, Reinigung und Desinfektion von Arbeitsgeräten, Vorbeugung von Fäulnispilzen durch einen pflanzenverträglichen, rechtzeitigen Schnitt

Nachfolgende vorbeugende Maßnahmen zeigen beispielhaft, wie man durch eine sorgfältige Planung gesunde und widerstandsfähige Pflanzen erhalten kann.

Maßnahmen vor der Pflanzung/Saat:

  • Gründüngung oder maschinelle Lockerung verdichteter Böden
  • Dämpfung der Böden und ergänzend bzw. alternativ Kalkstickstoffeinsatz zur Abtötung von Schaderregern, Unkräutern und deren Samen
  • Benutzung von Rollrasen und Pflanzmatten zur Vermeidung unerwünschten Pflanzenbewuchses
  • Punktueller Bodenaustausch in ausreichend großen Pflanzlöchern, angepasst an die Ansprüche der Pflanze, z.B. luftdurchlässige und strukturstabile Erde (Gesteinsanteil) bei Gehölzen, saure Erde bei Heidepflanzen
  • Auswahl der Pflanzen gemäß ihrer Ansprüche an pH-Wert, Humusgehalt, Lichtverhältnisse, Wasser- und Nährstoffbedarf, Kleinklima, Exposition, Konkurrenzfähigkeit
  • Beachtung späterer Pflegemaßnahmen schon bei der Planung (Gießen, Schnitt, Düngung, Unkrautentfernung)
  • Auswahl resistenter oder widerstandsfähiger Sorten
  • Vermeidung von Pflanzenarten, die als Überträger von Krankheitserreger fungieren, z.B. Felsenmispel (Cotoneaster) und Weißdorn (Crataegus) als Wirtspflanzen für den Feuerbranderreger (Erwinia amylovora)

Maßnahmen während der Pflanzung:

  • Auswahl qualitativ hochwertiger Pflanzen (möglichst zertifiziertes Pflanzgut)
  • Pflanztermin mehrjähriger Pflanzen im Frühjahr und Herbst wählen
  • Wässerung, Wurzelrückschnitt in Verbindung mit einem Ausgleichsschnitt der Äste und Zweige bzw. Wurzelballenlockerung vor der Pflanzung
  • Bei Gehölzen für ausreichend große Pflanzlöcher (mindestens doppelt so groß wie der Wurzelballen) und gut durchlüfteten Wurzelbereich sorgen, nährstoffarme Erde mit Gesteinsanteil
  • Baumscheibe offen halten (versickerungsfähig)
  • Sachgerechte Verankerung oder Wurzelbefestigung, eventuell Stammschutz
  • Verwendung von Pflanzenstärkungsmitteln, Bodenhilfsstoffen und Pflanzenhilfsmitteln

Maßnahmen nach der Pflanzung/Saat:

  • Regelmäßiges Bewässern in Verbindung mit Bodenlockerung: Faustregel einmal hacken ersetzt dreimal gießen
  • Gemäßigte Düngung erst im Folgejahr (schlechtes Anwachsen in zu stark gedüngter Erde)
  • Bei Ausbringung von Rindenmulch: kunststoffumhüllten Mehrnährstoffdünger (Langzeitdünger) unter der Mulchschicht ausbringen
  • Regelmäßiger Gehölzschnitt
  • Frostempfindliche Pflanzen abdecken, Rückschnitt abgestorbener Blattmasse

Biologische und biotechnische Maßnahmen

Die Förderung von natürlichen Gegenspielern bzw. deren gezielter Einsatz zählen zu den biologischen und biotechnischen Maßnahmen im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes, mit deren Hilfe auf den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ganz oder teilweise verzichtet werden kann. Speziell für den kommunalen Bereich gibt es noch viel Bedarf an der Optimierung geeigneter Methoden. Gerade in der Bekämpfung von Schädlingen an Gehölzen (z.B. Eichenprozessionsspinner, Kastanienminiermotte), wo eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln technisch schwer durchführbar ist, könnte die Weiterentwicklung von Pheromonfallen oder der zielgerichtete Einsatz von Parasitoiden Abhilfe schaffen. Auch wenn an vielen Stellen noch Forschungsbedarf besteht, so gibt es schon jetzt einige Methoden, die sich bereits seit vielen Jahren in der Praxis bewährt haben. Dazu gehören etwa die Bekämpfung von Schmetterlingsraupen durch Bacillus thuringiensis-Präparate oder der Einsatz von Nützlingen (Raubmilben, Erzwespen), die zur Ausbringung Unter Glas gezüchtet und kommerziell vertrieben werden. Seit einigen Jahren gewinnt auch der zielgerichtete Nützlingseinsatz in begrünten Innenräumen immer mehr an Bedeutung.

Folgende biologische und biotechnische Maßnahmen sind für den kommunalen Bereich relevant:

  • Bevorzugte Anwendung nützlingsschonender Pflanzenschutzmaßnahmen, insbesondere die Auswahl nützlingsschonender Pflanzenschutzmittel (Beratung der amtlichen Pflanzenschutzdienste wahrnehmen, Packungsbeilagen beachten)
  • Umsetzung ganzheitlicher Grünkonzepte im Sinne von Pflanzengesellschaften: Unterstützung natürlicher Regelmechanismen, langfristige Stabilität von Pflanzengesellschaften
  • Gestaltung des öffentlichen Grüns im Sinne eines Biotopverbundes zur Förderung der Biodiversität
  • Förderung natürlicher Gegenspieler durch Schaffung von Rückzugsmöglichkeiten, Sitzmöglichkeiten für Greifvögel, Nisthilfen, Überwinterungsquartieren und geeigneten Nahrungsquellen
  • Einsatzmöglichkeiten biotechnischer Verfahren im öffentlichen Grün: Verwendung von Sexuallockstoffen „Verwirrmethode“ bzw. Pheromonfallen (Kastanienminiermotte), Verwendung von Abwehrstoffen (Repellents) zur Abwehr von Nagern
  • Einsatzmöglichkeiten biologischer Verfahren im öffentlichen Grün: Nützlingseinsatz bei Innenraumbegrünung (Büros, Kantinen, Schwimmbäder, Tropenhäuser usw.), Bacillus thuringiensis-Präparate zur Bekämpfung von Schmetterlingsraupen, Bekämpfung von Schnakenlarven in Sportrasen durch insektenpathogene Nematoden, Aussaat von Studentenblumen (Tagetes) zur Nematodenbekämpfung (wandernde Wurzelälchen), Aussaat bestimmter Ölrettich- und Senfsorten gegen zystenbildende Nematoden


Ermittlung des Befalls und Nutzung von Entscheidungshilfen

Schadensschwellenprinzip (IPS Grundsatz Nr. 8)

Nicht immer ist das Auftreten von Krankheiten und Schädlingen an Kulturpflanzen auch mit bedeutenden Ertrags-, Qualitäts- und Einkommensverlusten verbunden. Eine chemische Bekämpfung sollte erst dann durchgeführt werden, wenn der zu erwartende Schaden höher als die Kosten für eine Behandlung liegt (Prinzip der wirtschaftlichen Schadensschwelle). Die wirtschaftliche Schadensschwelle gibt die Befallsstärke an, die unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte gerade noch geduldet werden kann.

Für den kommunalen Bereich ist eine solche Schadensschwelle oft schwierig zu definieren, denn das Auftreten eines Schaderregers bedeutet in der Regel keinen Ertrags- oder Einkommensverlust. Vielmehr geht es darum, dass befallene Pflanzen einen erhöhten Pflegeaufwand verursachen und einen Qualitätsverlust durch optische Beeinträchtigungen erleiden (z.B. Echter Mehltau an Laubbäumen, Pilzkrankheiten an Rosen). Müssen kranke Pflanzen komplett ersetzt werden, stellt dies natürlich auch einen wirtschaftlichen Verlust dar. Bei der Entscheidung für eine Bekämpfung von Schaderregern spielt im kommunalen Bereich der Sicherheitsaspekt eine entscheidende Rolle. Sicherheitsrisiken bergen beispielsweise durch Wurzelunkräuter angehobene Gehwegplatten (Stolpergefahr), durch holzzerstörende Pilze (z.B. Massaria-Krankheit) morsch gewordene Äste oder Problem-Unkräuter wie der Riesen-Bärenklau.

Bei der Beeinträchtigung der Bespielbarkeit von Sportrasen durch Unkräuter und Ungräser hingegen existieren „Toleranzgrenzen“, die je nach Anforderung an die Fläche bzw. Aufwendung für die Pflege herangezogen werden können (siehe Tabelle unten). Diese Toleranzgrenzen sind nicht als absolute Werte aufzufassen, da das Auftreten unerwünschter Pflanzen auch jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt.

Letzten Endes muss jede Kommune unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und alternativen Verfahren selbst entscheiden, ab wann ein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln unumgänglich ist.

Beispiele für Toleranzgrenzen für unerwünschten Pflanzenbewuchs auf Sport- und Golfplätzen (nach [1])
Art der Nutzung Toleranzgrenze (Deckungsgrad) Begründung
Rasensportflächen
Höchste Spielklassen keine Höchste Anforderungen an
  • Scherfestigkeit
  • Rückprallelastizität
  • Homogenität
  • Erscheinungsbild (Fernsehübertragungen)
Untere Spielklassen
  • Mittelfeld bis 10 %
  • Seitenbereiche bis 25 %
Golfplätze (Standardplätze)
Golfgrüns keine Balllauf darf nicht gestört werden
Vorgrüns
  • 5 %
  • Keine Horst- und Rosettenpflanzen
Tragfähigkeit der Rasennarbe muss sichergestellt sein
Abschläge bis 10 % Bei Überschreitung Störungen im Erscheinungsbild und Erhöhung des Pflegeaufwands
Allgemeine Spielbahnbereiche bis 20 %
  • Hohe Anforderungen an Tragfähigkeit der Rasennarbe
  • Beeinträchtigung der Spielbarkeit durch horst-/rosettenartige Pflanzen und Stängelbildung
Lande- und Annäherungsbereiche 10 %
Halbrau-Flächen (Annäherungsbereich) 10 %
  • Hohe Anforderungen an Tragfähigkeit der Rasennarbe (siehe Spielbahnen)
  • Anteil an Weißklee auf Minimum reduzieren (Ball-Wiederfindung)
Halbrau-Flächen (spielbahnbegleitend) 20 %
Halbrau-Flächen (überspielbar) 30 %

Einsatzoptimierung: Befallskontrolle, Beratung (IPS Grundsatz Nr. 7)

Die Befallsprognose (Vorhersage eines Befalls) ist in vielen Fällen die Voraussetzung für gezielte Bekämpfungsmaßnahmen. Dafür müssen neben der Witterung (Temperatur, Feuchtigkeit) das Entwicklungsstadium der Kulturpflanze sowie das Auftreten des Schaderregers (Krankheit, Schädling) und seine Ansprüche an die Witterungsbedingungen berücksichtigt werden. Genaue Kenntnisse zur Biologie und Lebensweise von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen sind für eine gezielte Bekämpfung essentiell.

Eine regelmäßige Befallskontrolle gibt Hinweise zur Festlegung eines Bekämpfungstermins. Maßnahmen zur Befallskontrolle sind beispielsweise die Überwachung des Mottenflugs der Kastanienminiermotte mit Hilfe von Pheromonfallen, der Einsatz von Leimtafeln, Gelbschalenmonitoring oder visuelle Kontrollen.

Computergestützte und auf Wetterdaten basierende Prognosemodelle dienen den amtlichen Beratungsstellen zur Ermittlung des richtigen Bekämpfungszeitpunktes, beispielsweise zur Feuerbrandbekämpfung im Obstbau oder zur Bekämpfung des Echten und Falschen Mehltaus im Weinbau. In Rheinland-Pfalz werden u. a. diese Daten durch die staatliche Pflanzenschutzberatung ermittelt und auf verschiedenen Wegen (E-Mail, Fax, Internet) an die Praxis weitergegeben.

Die staatliche Pflanzenschutzberatung unterstützt die Anwender aber auch in allen anderen Bereichen darin, die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes in die Praxis umzusetzen. Die Inanspruchnahme qualifizierter Beratung und die ständige Weiterbildung durch Fortbildungsveranstaltungen und Fachliteratur sind Teil der guten fachlichen Praxis und entsprechen somit den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes.

Neben der Durchführung regelmäßiger Befallskontrollen ist der Anwender außerdem durch die Richtlinie 2009/128/EG dazu verpflichtet, mit Hilfe von Aufzeichnungen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (Dokumentationspflicht) den Erfolg der angewandten Pflanzenschutzmaßnahmen zu überprüfen (IPS Grundsatz Nr.6). Die Details zur Aufzeichnungspflicht für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln regelt die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009. Berufliche Verwender müssen mindestens 3 Jahre lang ihre Aufzeichnungen mit den folgenden Angaben aufbewahren: das Pflanzenschutzmittel und dessen Bezeichnung (Handelsname), den Zeitpunkt der Verwendung, die verwendete Menge, die behandelte Fläche und die behandelte Kulturpflanze. Im eigenen Interesse sollte hier möglichst auch der bekämpfte Schaderreger aufgeführt werden.

Physikalische Verfahren im Pflanzenschutz

Zu den physikalischen Verfahren im integrierten Pflanzenschutz zählen alle mechanischen und thermischen Maßnahmen der Unkrautbekämpfung, die auf einer eigenen Seite (siehe unten) näher beschrieben werden. Weitere thermische Verfahren sind die Saatgutbehandlung mit Heißwasser oder Heißdampf zur Bekämpfung samenbürtiger Krankheiten oder das Dämpfen von Beeten zur Bekämpfung von Krankheitserregern, Unkräutern und deren Samen.

Weitere Beispiele für physikalische Bekämpfungsmethoden sind

  • das Entfernen von befallenem Pflanzenmaterial (z.B. auch Falllaubentfernung zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte)
  • die Verwendung von Stammanstrichen, Stammschutzmatten, Wundverschlussmitteln bei Gehölzen (gegen Rindenrisse, bohrende Insekten, Wildverbiss, Verletzungen und Eintritt von Schaderregern wie Bakterien und Pilze)
  • das Anbringen von Zäunen gegen Wildverbiss
  • das Anbringen von Fallen oder Wurzeldrahtkörben gegen Wühlmäuse
  • Verwendung von Rasenschutzgeweben zum Schutz der Grasnarbe vor Wühlmäusen und Maulwürfen
  • der Einsatz von Leimfallen und Leimringen
  • das manuelle Absammeln von Schadinsekten
  • das Abtöten von Schadinsekten durch Druck: Fräsen gegen Engerlinge, Abwalzen von Rasen zur Zeit des Schnakenschlupfs, Abwischen von Schild- und Wollläusen
  • der Einsatz von Blau- und Gelbtafeln zur Befallkontrolle (Innenraumbegrünung)
  • die Entfernung von Nestern des Eichenprozessionsspinners durch Abbrennen und anschließendes Abkratzen, Hochdruckreinigereinsatz oder Absaugen
  • das Vertikutieren von Rasenflächen gegen Moose
  • der Bodenaustausch bei schwer bekämpfbaren Wurzelunkräutern (z.B. Giersch, Schachtelhalm)


Anwendung chemischer Pflanzenschutzmaßnahmen

Nach den Grundsätzen des integrierten Pflanzenschutzes sollen alternative Methoden dem Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln vorgezogen werden (IPS Grundsatz Nr. 2), sofern diese umweltverträglich und praktikabel sind (siehe Anwendungsbeispiele unten). In vielen Anwendungsbereichen ist es jedoch nicht möglich, gänzlich ohne Pflanzenschutzmittel auszukommen. Bei der Bekämpfung pilzlicher Schaderreger ist der Einsatz von chemischen Mitteln unumgänglich. Auch bei der Unkrautbekämpfung kann es in besonderen Problemfällen nötig sein, Herbizide anzuwenden. Das wichtige dabei ist, die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß zu beschränken (IPS Grundsatz Nr. 4). Um diese Forderung zu erfüllen, soll deren Einsatz so zielartengerichtet und umweltverträglich wie möglich erfolgen (IPS Grundsatz Nr. 3), wobei auf ein Antiresistenzmanagement (siehe Seite über Fungizide) geachtet werden muss (IPS Grundsätze Nr. 4 und 5). Ziel ist die Reduzierung des Befalls und nicht die Eliminierung des Schaderregers, wobei alle Möglichkeiten reduzierter Behandlungshäufigkeiten und/oder Teilflächenbehandlungen berücksichtigt werden sollten.

Neben der geeigneten Mittelauswahl ist der Anwender dazu verpflichtet, zum Schutz der Umwelt, insbesondere von Gewässern, angrenzenden Biotopen und angrenzenden Kulturen, verlustmindernde Pflanzenschutztechnik einzusetzen, sowie definierte Schutzstreifen zu diesen Bereichen einzuhalten. Näheres dazu findet sich in den Auflagen zu den jeweiligen Pflanzenschutzmitteln, die bei der Zulassung ausgesprochen wurden.

Im Folgenden werden Anwendungsbeispiele für umweltverträgliche und auf eine bestimmte Schaderregerart spezifisch wirkende Präparate genannt, die im Sinne eines integrierten Pflanzenschutzes möglichst bevorzugt werden sollten. Auch wenn es sich um umweltverträgliche Pflanzenschutzmittelwirkstoffe handelt, ist vor der Mittelwahl zu prüfen, ob eine Genehmigung zur Anwendung auf Flächen für die Allgemeinheit vorliegt.

Anwendungsbeispiele:

1. Pflanzenschutzschutzmittel auf der Basis natürlicher Stoffe:

  • Auf Öl- oder Seifenbasis
  • Aus Pflanzenextrakten wie Neem oder Pyrethrum (Achtung: Pyrethrum wirkt auch gegen Nützlinge!)
  • Auf Naturstoffbasis wie Essig- oder Pelargonsäure
  • Aus anorganischen Verbindungen wie z.B. Schwefel, Eisen-III-phosphat, Eisen-II-sulfat

2. Biotechnologisch erzeugte Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Mikroorganismen:

  • Baculoviren gegen Schmetterlingsraupen
  • Ampelomyces quisqualis gegen Echten Mehltau
  • Bacillus thuringiensis gegen Käfer, Schmetterlingsraupen, Fliegen und Mücken
  • Bacillus subtilis gegen Feuerbrand und Schorf
  • Coniothyrium minitans gegen Sclerotiniapilze
  • Bacillus firmus gegen Nematoden
  • Metarhizium anisopliae gegen Dickmaulrüsslerlarven

Alternative Verfahren zur chemischen Unkrautbekämpfung auf Wegen und Plätzen

Hier finden Sie ausführliche Informationen zum Thema "Alternativen zur chemischen Unkrautbekämpfung auf Wegen und Plätzen".

Wichtige Nützlinge im öffentlichen Grün

Hier finden Sie ausführliche Informationen zu wichtigen Nützlingen im öffentlichen Grün.

Einzelnachweise

  1. Zwerger, P. und Ammon, H. U.: Unkraut - Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 2002, S. 318ff.

Quellen

  • Richtlinie 2009/128/EG
  • Klaehre, D. P. (2012): Sachkundenachweis Pflanzenschutz Pflanzenschutz – GaLaBau. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. ISBN 978-3-8001-7580-2
  • Zwerger, P. und Ammon, H. U. (2002): Unkraut - Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer. Stuttgart. ISBN 3-8001-3846-8
Sektorspezifische Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz für eine erfolgreiche effiziente und vitale Stadtbegrünung im öffentlichen Grün (Entwurf)