Glasigkeit

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Glasigkeit nach Temperatursturz und Starkregen an einem Salatblatt.

Glasigkeit kann bei sehr vielen Pflanzenarten auftreten und bei längerer Andauer zu Blattnekrosen und sekundären INfektionen führen.


Glasigkeit, ein botanische Phänomen

Glasigkeit ist ein nichtparasitäres Problem und kann an vielen Pflanzenarten auftreten und bei lägerer Dauer großen Schaden anrichten. Neben Blattnekrosen und ähnlichen Qualitätsmängeln gibt es auch Totalausfälle. Kritische Jahreszeiten sind im Freilandanbau der Herbst und im Gewächshausanbau der Herbst und Winter. Unterschätzt wird vielfach, dass Glasigkeit eine ideale Pforte für sekundären Bakterien- oder Pilzbefall darstellt. Wenig bekannt ist, dass es z.B. bei Salat sogar im Sommer zu Schäden kommen kann. In den Niederlanden lautet die Bezeichnung lautet „glazigheid“, die englische Bezeichnung ist „glassiness".

Wie entsteht die Glasigkeit?

Glasigkeit entsteht vor allem dann, wenn die Wasseraufnahme einer Pflanze größer ist als die Wasserverdunstung. Dies ist z.B. der Fall, wenn auf wüchsiges Wetter mit hoher Luft- und Bodentemperatur eine Periode mit langanhaltender, extrem hoher Luftfeuchtigkeit (z.B. langanhaltende Taunässe oder Nieselregen) folgt. Witterungsbedingt ist die Verdunstung des über die Wurzeln aufgenommenen Wassers dann stark eingeschränkt. In extremen Fällen wird der Wasserdruck dabei in den Zellen so groß, das Wasser in die Zellzwischenräume eindringt und sich damit die „Glasigkeit“ als solche zeigt. Typisch ist das Auftreten an Blatträndern und die Begrenzung der glasigen Stellen durch die Blattadern. Glasigkeit führt nicht zu Schäden, wenn sich die Verdunstungsmöglichkeit rasch wieder verbessert und das überschüssige Wasser an die Luft abgegeben werden kann. Hält der Zustand der Glasigkeit jedoch über einen längeren Zeitraum an, so gelangt durch den anhaltenden Wurzeldruck immer mehr Wasser in die Zellzwischenräume. Irgendwann wird der Wasserdruck so groß, dass die Zellwände platzen und es zur Zerstörung des Blattgewebes kommt. Als Folge davon entstehen deutlich sichtbare Nekrosen.

Faktoren, die das Auftreten der Glasigkeit fördern:

  • Hoher Wassergehalt im Boden
  • Niedriger Salzgehalt im Boden
  • Hohe Bodentemperaturen
  • Hohe Luftfeuchtigkeit
  • Starkes Wurzelwerk
  • Empfindliche Sorte
  • Sehr lockerer Boden
  • Niedrige Blatt-Temperaturen
  • Überhöhtes Stickstoffangebot


Glasigkeit im Gemüsebau

Glasigkeit ist ein Phänomen, welches bei sehr vielen Gemüsearten vorkommt. Vor allem bei Salaten, Chinakohl und Kohlrabi, aber auch bei Blumenkohl kommt es dadurch immer wieder zu Qualitätsproblemen bis hin zu Totalausfällen.

Salat

Glasigkeit an Salat zeigt sich ganz typisch mit seinen Farbveränderungen an den Blatträndern. Oft sind die betroffenen Gewebepartien, scharf abgegrenzt durch Blattadern, dunkler gefärbt. In einen späteren Stadium stirbt das Gewebe ab und verfärbt sich braun. Vor allem im Freiland-Herbstanbau sieht man öfter wie durch Glasigkeit ein sekundärer Befall durch Pseudomonas erleichtert wird. Der Bakterienbefall wird deutlich, wenn man das Blatt im Gegenlicht betrachtet und die befallenen Stellen gelblich erscheinen.
Häufig gibt es Glasigkeitsprobleme auch an den Blatträndern der bodennahen Blätter.

In extremen Situationen führt Glasigkeit mit sekundärem Pseudomonasbefall zu einem Totalausfall. Glasigkeit kann aber auch schon in den ersten Tagen einer Salatanzucht auftreten. Die Salatkeimlinge verfärben sich deutlich dunkler Grün und stocken im Wachstum. In einigen Fällen kommt auch Glasigkeit im Salatstrunk vor. Bei der Ernte wird dies sofort sichtbar. Durch sekundären Fäulnisbefall wird der Strunk dann extrem unansehnlich und stinkt. Nach einem starken Regen sieht man oft auch eine meist vorübergehende Glasigkeit auf der Blattspreite. Auf den getroffenen Blattspreiten zeigen sich dunkler verfärbte Gewebepartien.

Sortenunterschiede:
Da die Glasigkeit bei Salat eine große Rolle spielt und es beachtliche Sortenunterscheide gibt, weisen die Salatzüchter bei den folgenden Sorten auf deren Toleranz bezüglich Glasigkeit hin: Casanova (EZ) , Charlin (NZ), Ciantara (EZ), Latino (RZ), Plenty (NZ), Robella (EZ).

Blumenkohl

Bei Blumenkohl kann Glasigkeit sowohl an den Blättern, als auch an der Blume auftreten. Glasigkeit an den Blättern äußert sich wie bei Salat vorwiegend dadurch, dass glasige, durch Blattadern begrenzte Stellen, an den Blatträndern auftreten. Bei lang anhaltender Glasigkeit kommt es auch dort dann zum Absterben des betroffenen Gewebes. An den ältesten Blättern in dichteren Beständen tritt manchmal, neben der Glasigkeit am Blattrand, auch Glasigkeit im Gewebe neben den Blattadern auf. Glasigkeit an der Blume von Blumenkohl beginnt meist an einzelnen Röschen-Verzweigungen. Diese verfärben sich dunkler. Bei einem stärkeren Befall sind ganze Röschen von z.B. 5 cm Durchmesser betroffen. In Extremfällen kann die ganze Blume glasig werden

Sorteneinfluss
Bei Blumenkohl gibt es Sorten, die sehr empfindlich für Glasigkeit sind. Da es jedoch sehr schnell und offensichtlich zu Ausfällen kommt, werden empfindliche Sorten meist gleich vom Anbau ausgeschlossen. Laut Züchterangaben gilt z.B. die Sorten Fastnet (NZ) als besonders tolerant bezüglich Glasigkeit.

Strunk:
Auch beim Blumenkohl kommt es zu einer Glasigkeit im Strunk. Im Vergleich zu einem gesunden Strunk sieht man gut die Farbveränderung. Sekundär kann es dann auch zu einem Fäulnisbefall z.B. durch Erwinia kommen.

Kohlrabi

Glasigkeit bei Kohlrabi tritt vorwiegend an den Blättern auf. Die Symptome ähneln denen der Glasigkeit des Blumenkohles. Zu Glasigkeit kommt es auch hier bevorzugt an den Blatträndern. Teilweise ist jedoch auch das Gewebe in unmittelbarer Nähe der Blattadern stärker betroffen. Bei lang anhaltender Glasigkeit kommt es auch an diesen Stellen zum Absterben des betroffenen Gewebes und zur Bildung von Nekrosen. Da Kohlrabi normalerweise immer mit Laub verkauft werden, kann hierdurch wesentlich schneller ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, als bei Blumenkohl. Auch bei Kohlrabi ist, wie bei Salat und Blumenkohl, ein Befall durch Sekundärerreger, wie z.B. Xanthomonas-Bakterien, möglich. Durch die Zerstörung der Zellwände können die Bakterien leichter in das Gewebe eindringen und sich auch schneller im Blatt ausbreiten.

Sorteneinfluss
Bei Kohlrabi sind hinsichtlich Empfindlichkeit für Glasigkeit immer wieder Sortenunterschiede zu beobachten.

Chinakohl

Vereinzelt tritt Glasigkeit auch an Chinakohl auf. Glasigkeit an Chinakohl führt zu einem erhöhten Putzaufwand. Im Extremfall, wenn zu viele Blätter bzw. innere Blätter betroffen sind, kann es sogar zum Totalausfall kommen.


Zwiebel

Dass es bei Zwiebeln auch eine Glasigkeit gibt, sieht man erst nach dem Anschneiden. Bernd Herold u.a. (2003) schreiben dazu: „Seit einigen Jahren ist die Glasigkeit ein zunehmendes Problem bei der Lagerung von Speisezwiebeln. Sie betrifft meist die äußeren fleischigen Ringe und ist nach Aufschneiden am wässrigen Aussehen der betroffenen Bereiche erkennbar. Da stark glasige Zwiebeln anfällig für Mikrobenbefall und als nicht handelsfähig einzustufen sind, besteht ein hoher Kontrollbedarf."


Rettich und Radies

Unterschiedliche Glasigkeit an Rettichsorten (Theiler u.a., 2004)

Sorten Anteil glasiger Rüben
ZM-FAW 2,4 %
ZM-Handel HL-WS 40,3 %
HL-WS 5,8 %
Neckarruhm 19,6 %
Oshin F1 0,0 %
Agri cross F1 9,2 %
Gentuku F1 (nicht mehr im Handel) 5,3 %


Speiserüben

Laut Brandenburger (1937) gibt es auch bei Steckrüben Glasigkeit.


Glasigkeit im Obstbau

Auch im Apfelanbau spielt die Glasigkeit eine Rolle. Es entstehen in den Früchten glasige Stellen, die um die Gefäßbündel und das Kernhaus herum beginnen. Das Fruchtfleisch der Äpfel erscheint im Bereich des Kernhauses aber auch unterhalb der Schale wässrig und durchscheinend. Im Lager können sich glasige Stellen im Fruchtfleisch zurückbilden, so dass diese Störung meist nur an erntefrischen Äpfeln beobachtet wird. Es handelt sich, ähnlich wie bei der häufiger vorkommenden Stippe, nicht um einen Schädlings- oder Pilzbefall, sondern um eine nicht genau geklärte Stoffwechselkrankheit. Verantwortlich dafür sind mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume zwischen den Zellen, die normalerweise nur Luft enthalten. Die Ursache für dieses Phänomen sind von den Pflanzen in ungewöhnlich großer Menge gebildete Zuckerverbindungen, v. a. der Zuckeralkohol Sorbit. Diese bewirken über ihren hohen osmotischen Wert, dass Zellsaft und Wasser in die Zellzwischenräume eindringen. Daraus resultieren Sauerstoffmangel mit anschließender Gärung, Bildung von Alkohol und Acetaldehyd, Geschmackseinbußen und eventuell sogar das Auftreten von Fleischbräune.

Als Ursache für die Glasigkeit im Apfel gelten folgende Faktoren:
Als Ursache für die Bildung glasiger Früchte gilt ein zu starkes Triebwachstum, wie es bei reichlicher Nährstoffzufuhr und nach kräftigem Rückschnitt vorkommen kann. Einige Sorten (Boskoop, Fuji) neigen stärker zur Glasigkeit.

  • Störung im Zuckerstoffwechsel bzw. extreme Zuckerproduktion aufgrund starker Sonneneinstrahlung und hoher Temperaturen
  • Geringer Fruchtbehang, unharmonisches Blatt/Frucht-Verhältnis
  • Anfällige Sorten und späte Ernte
  • Ca-Mangel

Gegenmaßnahmen:
Zur vorbeugenden Bekämpfung muss auf eine geregelte Nährstoff- und Wasserversorgung geachtet werden. Wenn wiederholt Glasigkeit auftritt, sollten Schnitt und Düngung der Apfelbäume überdacht werden. Häufig wird versucht starkwachsende Bäume durch Rückschnitt oder sogenanntes Kappen im Wachstum zu bremsen. Die Bäume reagieren hierauf mit starkem Neuaustrieb im Frühjahr. Dieses vegetative Wachstum fördert wiederum die Glasigkeit und die Stippe.

  • Verzicht auf besonders anfällige Sorten wie Alkmene, Cox Orange, Fuji, Gloster, Goldparmäne
  • Durch Erziehungs- und Schnittmaßnahmen einen mittleren Fruchtbehang mit ausgewogenem

Blatt/Frucht-Verhältnis anstreben

  • Rechtzeitige Ernte, d. h. Äpfel nicht zu lange am Baum belassen
  • Für ausreichende Ca-Versorgung der Früchte sorgen
  • Glasige Äpfel nach Ernte bei 10-15 °C bis zu 10 Tage zwischenlagern, erst danach ins kühle Lager;

Früchte mit mehr als 30 % Glasigkeitsanteil überhaupt nicht lagern!


Ananas

Für Gärtner ist die Glasigkeit an Ananas interessant. Mit einem besonderen Verfahren kann man die Glasigkeit der Früchte ohne aufzuschneiden feststellen. Das sogenannte Ananas-Hydrometer wurde zur Differenzierung von leicht, mittel und stark glasigem Ananas entwickelt. Es besteht aus einem leichten Gestell, das die Frucht in senkrechter Lage hält. Die zu prüfende Ananas wird mit dem Gestell in ein Wasserbad gegeben; der Grad der Glasigkeit wird aus der Eintauchtiefe bestimmt. Ein vertikaler Anzeiger zeigt den Grad der Glasigkeit an.


Allgemeine Maßnahmen zur Verringerung des Glasigkeitrisikos

Bewässerung:
Grundsätzlich bei Gefahr durch Glasigkeit nur so wenig wie unbedingt nötig bewässern. Zur Einschränkung des Glasigkeits-Risikos eine Bewässerung in den Abendstunden vermeiden. Ansonsten wird die nächtliche Luftfeuchtigkeit im Bestand zusätzlich erhöht und die Verdunstung damit noch mehr behindert.

N-Versorgung:
Zu schnelles Wachstum, durch z.B. durch ein übermäßiges N-Angebot, führt zu einem weichen Gewebe und fördert damit das Auftreten von Glasigkeit. Die Pflanzenzellen haben dünne Wände mit geringem Trockensubstanzgehalt gebildet, die bei Glasigkeit leichter platzen können als stabile Zellen. Vorsicht deshalb vor allem bei Anbau nach einer Vorkultur mit hohen Nmin-Resten bzw. NResten in den Ernterückständen. Beim Anbau von Salat nach Blumenkohl ist demnach mit einem erhöhten Glasigkeitsrisiko zu rechnen.

Sorteneinfluss:
Generell gibt es einen großen Einfluss der Sorte. Bei Kopfsalat gibt es z.B. Sorten mit einer brauchbaren Toleranz. Salatsorten, die unempfindlich gegen Innenbrand sind, oft besonders anfällig gegenüber Glasigkeit, weil diese zur Versorgung der Herzblätter einen höheren Wurzeldruck aufbauen. Was gegen Innenbrand äußerst hilfreich ist, ist gleichzeitig äußerst negativ bei einer Witterung, die Glasigkeit begünstigt. Nähere Einzelheiten bei den jeweiligen Gemüsearten.

Salzgehalt im Boden:
Höhere Salzgehalte im Boden hemmen die Wasseraufnahme und damit das Auftreten einer Glasigkeit. In der Praxis ist es jedoch schwierig diesen Effekt zu nutzen.

Einfluss der Borversorgung:
Laut Visuplant (Internet) fördert Bormangel die Bildung von Glasigkeit. Eine optimal Einstellung der Borversorgung ist deshalb geboten.

Klimaführung im Gewächshaus:
Glasigkeit entsteht vor allem auf Grund ungünstiger Klimabedingungen. Im Gewächshausanbau kann man deshalb durch eine entsprechende Klimaführung Glasigkeit verhindern. Es geht darum eine ausreichende Wasserverdunstung sicherzustellen. Ideal ist es, wenn man es schafft, täglich für mehre Stunden die relative Luftfeuchtigkeit unter 80% zu senken. Tritt z.B. bei der Anzucht von Salat im Januar einmal Glasigkeit auf, so kann man sie durch Heizen und Lüften (Trockenheizen) innerhalb von rund 4 Stunden beseitigen.

In Holland empfiehlt man im Kopfsalat-Winteranbau nachts eine Minimumtemperatur von 7°C und tagsüber von 11°C einzuhalten. Rijk Zwaan, Holland empfiehlt im Internet 2005, die Erhöhung des EC-Gehaltes (Salzgehalt) im Rahmen einer zusätzlichen, flüssigen Kopfdüngung. Bei einer länger anhaltenden Glasigkeit wird sogar ein EC-Gehalt von 4 angeraten. Bei einer solchen Köpfdüngung muss jedoch kurz mit klarem Wasser nachgespült werden.


Quellen

Josef Schlaghecken, Eva Morgenstern, Werner Ollig, Jochen Kreiselmaier, Gartenakademie Rheinland-Pfalz
Brandenburg, E. (1937): Die sogenannte Glasigkeit der Steckrüben. S. A. Z. Pflanzenkrankheiten (Pflanzenpathologie) Pflanzenschutz 47, Seite 53-58. 

Crüger, Gerd u.a. (2002): Pflanzenschutz im Gemüsebau. Ulmer Verlag. Stuttgart. 

Custers M. und andere (1987): Teelt van Botersla onder glas, Glazigheid. Infomatiereeks No. 55, juni 1987, Proefstation voor tuinbouw onder glas, Naaldwijk. 

Herold Bernd, Bernd Obernbarnscheidt, Manuela Zude und Martin Geyer (2003): Zerstörungsfreie Bestimmung der Glasigkeit von Speisezwiebeln. Landtechnik 58 Nr. 1, S. 24-25, 3 Bilder, 1 Tabelle, 4 Literaturzitate. 

Krug, Helmut u.a. (2002): Gemüseproduktion. Ulmerverlag. Stuttgart. 

Theiler R., Hp. Buser, U. Ingold, P. Schätti und M. Hurni (2003): Qualität von Rettich – Einfluss von Anbautermin und Sorten. Der Gemüsebau, Nr. 12, Seite 15-16. 

Schlaghecken Josef, Jochen Kreiselmaier u.a. (2002): Blumenkohl: Bild- und Textdokumentation, Von Anbau bis Verzehr (CD). DLR-Rheinpfalz, Neustadt/Wstr.