Fassadenbegrünung

Aus Hortipendium
Wechseln zu: Navigation, Suche

Bedeutung der Fassadenbegrünung

Die Fassadenbegrünung bietet vielen Tierarten wie Bienen, Fliegen, Mücken, Wespen, Käfern, Schmetterlingen, Ameisen, Spinnen und Blattläusen Lebensraum. In der Tat erfüllt vermeintliches "Ungeziefer" wie die Fliegen oder Spinnen dabei ökologisch wichtige Funktionen: Flor- und Schwebfliegen dezimieren Blattlauspopulationen, Spinnen fangen neben Blattläusen auch Mücken in ihren Netzen. Die Spinnen ihrerseits verhalten sich nicht nur als Räuber, sondern dienen wiederum als Nahrungsmittel für das überleben von Vögeln und Fledermäusen. Die eng miteinander verbundenen Nahrungsketten bewirken einen Selbstregulierungsmechanismus, sofern nicht anthropogen bedingt eingegriffen wird; das "Ungeziefer" an den Wänden stellt also keine Gefahr dar. Nicht nur die begrünte Fläche der Hauswand bietet den potentiellen Bewohnern Lebensraum, sondern darüber hinaus auch der Fußpunkt, indem ein erweitertes Nahrungsangebot (Regenwürmer, Asseln, Tausendfüßer) dafür sorgt, dass diese Areale gern als Aufenthalts- und Fluchtort von Kleinsäugern (Igel) angenommen werden. Klettergehölze erfüllen mannigfaltige Aufgaben im Bereich der faunistischen Arterhaltung. So werden die Blüten von Waldreben (Clematis vitalba), Jelängerjelieber (Lonicera caprifolium) oder Fünflappigem Wildem Wein (Parthenocissus quinquefolia) gern als Bienennährpflanze genutzt. Die Blätter von einigen Klettergehölzen haben große Bedeutung als Futterpflanzen für gefährdete Schmetterlingsarten. Der kleine Eisvogel ernährt sich von Geißblatt-Arten, der Weinschwärmer von der Rebe, der Nachtschwalbenschwanz u. a. von Efeu-Arten. Dichtes Blattwerk dient ferner als Nistgelegenheit. Die Früchte der Klettergehölze, insbesondere die der Lonicera- und Parthenocissus-Arten, tragen zur Ernährung von Vögeln bei.

Ästhetische und psychologische Bedeutung

Kletterpflanzen bieten einen starken ästhetischen Reiz, indem sie monotone Fassaden auflockern und hässliche Baukörper kaschieren. Durch diese Vegetationsstruktur lässt sich auf engem Raum, mit geringem finanziellem Aufwand und einfachen Gerüstkonstruktionen das Erscheinungsbild eines Hauses individuell gestalten. Eine begrünte Fassade ändert ihr Aussehen im Wechsel der Jahreszeiten. Dieser biologische Rhythmus kann aktiv miterlebt werden. Die Beschäftigung mit der Tierwelt, die im Fassadengrün lebt, das Wahrnehmen ihrer Geräusche, Gerüche, Farben und Bewegungen stellt positive Sinneserlebnisse dar. Das Rauschen der Blätter bei Windbewegung und das Wahrnehmen von Blütenduft mindert subjektiv die Lärmempfindung. Des weiteren wirken sich Naturerinnerung, Identifikationsmöglichkeit und Heimatgefühl positiv aus. Insgesamt gesehen ist die Befriedigung einer ganzen Reihe menschlicher Grundbedürfnisse direkt an das Vorhandensein von Vegetation gebunden.

Bauphysikalische und stadthygienische Bedeutung der Fassadenbegrünung

nach MINKE/ WITTER (1985)

Sie basiert auf der

  • Wärmedämmung durch Luftpolsterbildung.
  • Verringerung des Wärmeverlustes des Gebäudes durch Abhalten des Windes von der Fassade.
  • Verringerung des Wärmeverlustes des Gebäudes durch Reflexion und Absorption eines Teils der langwelligen, vom Gebäude nach außen dringenden Wärmestrahlung.
  • Verringerung des Wärmeverlustes infolge der durch nächtliche Taubildung entstehenden Wärmerückgewinnung.
  • Umwandlung der Windenergie in Wärme.
  • Erhöhung der Fugendichtigkeit von Wänden, Fenstern und Türen durch Verringerung des Winddruckes.
  • Schutzwirkung von Mauerwerk vor starken Temperaturschwankungen, UV- Strahlen und Schlagregen.
  • Kühlwirkung bei Sonneneinstrahlung durch Wärmeverbrauch für die Verdunstung, Strahlungsabsorption für die Photosynthese und Strahlungsreflexion.
  • Reinigung der Luft von Schmutzpartikeln.
  • Anreicherung der Luft mit Sauerstoff.
  • Anreicherung der Luft mit Feuchtigkeit.
  • Dämpfung des Lärmpegels.


Schäden und vorbeugende Schadensverhütung von Klettergehölzen

ALTHAUS* (1987) zählt zu den schadensrelevanten Eigenschaften den Wuchs, die Kletterform, den Durchmesser der Triebe und den Negativen Phototropismus.

„Keine der ... Eigenschaften ist schadensrelevant an sich. Erst die im Einzelfall am Bauwerk gegebene Situation bestimmt, ob beispielsweise starker Wuchs zu Schäden führen kann. Eine Pflanzenart, die viele schadensrelevante Eigenschaften aufweist, wie... Efeu ..., kann daher unter der Voraussetzung, dass soweit erforderlich, regulierende Eingriffe vorgenommen werden, an der richtigen Stelle in der richtigen Weise verwandt, durchaus einen großen Gewinn bedeuten.“

Ch. Althaus: Fassadenbegrünung,1987; Patzer, München



Mögliche Schäden können durch die Wuchsform, -richtung, -höhe und –stärke (innerhalb üblicher Jahreszuwächse) bezüglich der Pflege und Unterhaltung sowie Belastung der Tragfähigkeit von Baustoffoberflächen entstehen. Insbesondere selbstklimmende Arten von Klettergehölzen mit mattenartig dichter Belaubung erfordern erhöhte Wachsamkeit in der Unterhaltung. Problematisch kann die Verwendung von selbstklimmenden Arten mit weitausladender Wuchsform (Altersform von Efeu, Trompetenblume) bei luftporenhaltigen Putzen werden. Diese Oberflächen sind bei Windeinfluss unter Umständen einer starken Beanspruchung ausgesetzt. Die Wuchshöhe kann sich schädigend auswirken, wenn das Klettergehölz hinsichtlich seiner Größenproportion nicht auf die Gebäudehöhe abgestimmt worden ist; wenn also eine starkwüchsige Pflanze an einem einstöckigen Gebäude platziert wurde. In solchen Fällen sind Schäden im Dachbereich nur durch erhöhten Pflegeaufwand aufzuhalten. Hinsichtlich der Kletterform können die stark schlingenden Wisteria-Arten an dünnwandige Regenfallrohre gepflanzt, bedingt durch das Dickenwachstum, Schäden anrichten. Bei schindelgedeckten Wandflächen und ziegelgedeckten Dachflächen können die Triebe infolge der Windbewegungen hinter die Abdeckungen gelangen, wodurch ein Anheben der Platten ermöglicht wird. Die ganze Situation wird dadurch negativ verstärkt, dass die Triebe an anderer Stelle wieder ans Licht gelangen und infolge Dickenwachstums einem weiteren Anheben Vorschub leisten. Als besonders gefürchtet gilt in diesem Zusammenhang der Schlingknöterich. Pflanzt man Selbstklimmer an Dispersionsbeschichtungen, können diese (infolge der begrenzten Lebensdauer) von Haftwurzeln unterwachsen und zerstört werden. Die Triebstärke kann je nach Verwendungsform und Dickenwachstum zu Druckschäden fuhren, etwa dort, wo Selbstklimmer Fallrohre hinunterwachsen oder bei unzureichenden Wandabständen von Holzspalieren. Pflanzenteile, z. B. Triebe, die sich bei einseitigem Lichteinfall vom Licht weg bewegen, verhalten sich negativ phototroph. Schäden entstehen dadurch, dass die Triebe in lichtärmere Zonen fliehen und an Schindelbekleidungen oder vorgehängten Fassadenelementen in offene Fugen hineinwachsen. Als Folge des Dickenwachstums der Triebe entstehen Druckschäden. Efeu zeigt diesbezüglich außer guter Wüchsigkeit ein ausgeprägtes Dickenwachstum der Triebe. Andererseits können auch die Haftwurzeln in Risse von Fugen und Putz hineinwachsen, die sich bei entsprechender Feuchtigkeit und Plastizität verdicken. Schadensrelevante Eigenschaften

Erläuterungen

Wüchsigkeit

schwach wachsend xx = sehr schwachwüchsig, weniger als 25 cm
x = schwachwüchsig, ca. 25-50 cm
mittelstark wachsend x = mittelstark wüchsig, ca. 50-100 cm
stark wachsend x = stark wüchsig, ca. 100-200 cm oder mehr
xx = sehr starkwüchsig, deutlich mehr als 200 cm

Wuchsform

- m = mattenartiger, dichter Wuchs (dichte Verzweigung und Belaubung z. B. Engelmann's Wein)

Kletterform

Über Abkürzung unterschieden wurden folgende Kletterformen:
K Spreizklimmer  
RBS Blattranker, Sonderform 'Blattstielranker'  
RS Sprossranker  
RSH Sprossranker, Sonderform 'Ranker mit Haftscheiben'  
S Schlinger oder Winder  
WK Wurzelkletterer

Einzelne Arten klettern auf mehr als eine Weise, bilden beispielsweise neben Ranken mit Haftscheiben auch sprossbürtige (Haft)Wurzeln aus. Solche sekundären Formen des Kletterns wurden, soweit Erkenntnisse vorlagen, jeweils in Klammern zusätzlich vermerkt. Prinzipiell sollten bei jeder Begrünungsmaßnahme die Wuchsmerkmale der Klettergehölze gebührend berücksichtigt werden. ALTHAUS* (1987) empfiehlt daher:

Hinsichtlich des Wuchses

  • Mattenartig dicht wachsende Klettergehölze können verwendet werden, sofern entsprechende Unterhaltung und Pflege gewährleistet sind. Dieselben Arten dürfen wegen des Feuchtehaushalts nicht vor Wandkonstruktionen gepflanzt werden, die nicht ausreichend gedämmt sind.
  • An begrenzt tragfähigen Oberflächen ist auf diejenigen Selbstklimmer zu verzichten, die eine weit ausladende Wuchsform bilden. Hierbei kann eine waagerechte Drahtbespannung bzw. Einkürzen der horizontal abstehenden Triebe zweckmäßig sein. Selbstklimmer, deren Wuchs höher als 2 Stockwerke reicht, sollten wegen der Instabilität nicht vor luftporenhaltigen Putzen gepflanzt werden.
  • Wuchshöhe, -richtung und -stärke sind stets auf die vorhandenen Architekturelemente abzustimmen (Gebäudehöhe, -breite, Gesimse, Holz- und Schieferverkleidungen).
  • Bei Vorhandensein gefährdeter Zonen in der Senkrechten z. B. angrenzende Schindelverkleidungen, sollte man eigentlich auf Gerüstkletterpflanzen ausweichen. Werden dennoch Selbstklimmer favorisiert, dann nur streng senkrecht wachsende Arten verwenden, wobei ein regelmäßiger Schnitt durchgeführt werden muss. Bei feingliedriger Gebäudestruktur und hohem Anteil schädigungsanfälliger Bereiche (Rollladenkästen, Fensterläden) sollte auf starkwüchsige Selbstklimmer verzichtet werden. Vielmehr sind solche Arten vorzuziehen, die sich partiell auf (Teil-)Flächen beschränken lassen.

Hinsichtlich der Kletterform

  • Stark schlingende Arten nicht an dünnwandige Regenfallrohre platzieren; gefährdet sind auch zu schwach konstruierte Holzlattengerüste.
  • Keine stark wüchsigen Schlinger an schindelbekleideten Wandflächen und gedeckten Dachflächen verwenden.
  • Selbstklimmer nicht an luftporenhaltigen Putzen dulden.
  • An Thermohäuten ernsthaft erwägen, ob Begrünung zweckmäßig ist (wegen mangelnder Tragfähigkeit und Schlageinwirkung durch Pflanzenteile).
  • Dispersions- und dispersionssilikatbeschichtete Oberflächen nicht mit Selbstklimmern begrünen; ebenso bei rein mineralisch beschichteten Oberflächen ist größte Vorsicht geboten.
  • Bei Fassaden, die rissige oder rissanfällige Putze aufweisen, keine Selbstklimmer verwenden. Dabei stellen insbesondere Arten, die zu sprossbürtiger Wurzelbildung neigen, ein Risiko dar, sobald derartige Putze feuchtebelastet sind.
  • Bei Holzoberflächen und Fachwerk sollte auf Gerüstkletterpflanzen zurückgegriffen werden.

Hinsichtlich der Triebstärke

  • Bei der Dimensionierung von Kletterhilfen ist ebenso, wie bei der Berankung von Regenfallrohren, der maximale Triebdurchmesser zu berücksichtigen, da sonst Absprengungen die Folge sein können.
  • Wandverkleidungen mit offenen Fugen und in Nischen verlaufende Fallrohre sind dann gefährdet, wenn Selbstklimmer zur Anwendung kommen, deren Triebe sich bei einseitigem Lichteinfall vom Licht weg bewegen. Daraus resultiert, dass keine Arten gepflanzt werden dürfen, die ein risikoerhöhendes Dickenwachstum der Triebe aufweisen.

Hinsichtlich des Negativen Phototropismus

  • Zur vorbeugenden Schadensverhütung sollten in allen Fällen, in denen auf Grund der speziellen Eigenschaften eines Gebäudes - durch die vom Licht wegstrebenden Triebe, Haftwurzeln oder Haftscheibenranken theoretisch Schäden entstehen könnten, von Wurzelkletterern, gegebenenfalls auch von Spreizklimmern, abgesehen werden. Dies trifft zu, wenn eine regelmäßige Unterhaltung, wie das Freischneiden von in Nischen verlaufenden Fallrohren, von Rollladenkästen und Dachzonen, nicht gewährleistet werden kann.
  • "Bis heute werden in der Praxis der Fassadenbegrünung ... Fehler verursacht ... Viele der gegenwärtig gemachten Fehler aber werden bei künftigen Maßnahmen vermeidbar sein. Mittlerweile stehen so detaillierte Einzelinformationen zur Verfügung, dass präventive Schadensverhütung durch gezielte Pflanzenverwendung als ein für die nahe Zukunft realistisches Ziel anzusehen ist ".

Sofern die aufgezeigten Risiken und präventive Schadensverhütung bei der Begrünungspraxis Beachtung finden, können Schäden schon im Vorfeld eliminiert werden.


Literaturhinweis

Neustadter Heft Nr. 60 Fassaden begrünen. Redaktion DLR Rheinpfalz. Neustadt an der Weinstraße. 

Ch. Althaus (1987): Fassadenbegrünung. Patzer. München. 

G. und A. Minke (1985): Häuser mit grünem Pelz. Müller. Köln. 


Weblinks

http://www.gartenakademie.rlp.de