Anwenderschutz

Aus Hortipendium
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Zum sachgerechten Pflanzenschutz gehört, unnötige Risiken für den Anwender zu vermeiden. Das heißt, auch sich selbst zu schützen, denn der unsachgemäße Umgang mit Pflanzenschutzmitteln kann beim Anwender zu gesundheitlichen Schäden führen. Deshalb haben Behörden, Berufsgenossenschaften und Industrie gemeinsam ein Anwenderschutzkonzept entwickelt, dass Schutzmaßnahmen dort empfiehlt, wo sie wirklich erforderlich sind.

Maßnahmen

Aus eigenem Interesse ist dem Anwender anzuraten, die vorgeschriebenen Anwenderschutzmaßnahmen einzuhalten, denn schädigende Wirkstoffe können durch Verschlucken, Einatmen und Hautkontakt in den Körper gelangen. Eine akute Vergiftung ist eine Vergiftung auf Grund einmaliger Aufnahme einer größeren Giftmenge. Eine chronische Vergiftung ist eine Vergiftung auf Grund der Aufnahme geringer Giftmengen über einen längeren Zeitraum. Dies macht sich oft erst nach Jahren bemerkbar (schleichende Vergiftung).
Die Beachtung der folgenden Punkte trägt dazu bei, die Gefahren für den Anwender und seine Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten:

  • Kinder, schwangere Frauen, stillende Mütter oder Personen mit Verletzungen (offenen Wunden) dürfen Pflanzenschutzmittel nicht anwenden. Auszubildende sind zu beaufsichtigen.
  • Während des Umganges mit Pflanzenschutzmitteln nicht essen, trinken oder rauchen. Die Einnahme von Nahrungs- und Genussmitteln ist erst nach Ablegen der Schutzkleidung und sorgfältiger Körperreinigung gestattet. Vor, während und unmittelbar nach der Arbeit keinen Alkohol trinken.
  • Bei der Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen ist der Gefährdungsbereich von unbefugten Personen und Haustieren freizuhalten.
  • Die Durchführung der Arbeiten sollte möglichst in den frühen Morgenstunden oder gegen Abend erfolgen. Bei Hitze und Schwüle besteht erhöhte Vergiftungsgefahr.
  • Köder (z.B. zur Bekämpfung von Mäusen) dürfen nur so ausgelegt werden, dass sie für Kinder und Tiere nicht erreichbar sind.
  • Zum Abmessen der Pflanzenschutzmittel sind Messgeräte zu verwenden, die nur für diesen Zweck bestimmt sind. Die notwendige Waage oder der Messzylinder sind entsprechend zu kennzeichnen und zusammen mit den Pflanzenschutzmitteln aufzubewahren.
  • Zum Anteigen der Spritzbrühe sind solche Geräte zu verwenden, die einen Hautkontakt vermeiden lassen.
  • Um das Einatmen von Dämpfen oder Stäuben zu vermeiden, ist beim Abwiegen und Anteigen ein zugelassener Schutz der Atmungsorgane (Mundschutz, Halbmaske/Vollmaske mit Filter) zu tragen. Die Staubentwicklung sollte möglichst gering gehalten werden. Dazu dient die Verwendung von Granulaten anstelle pulverförmiger Mittel, der Einsatz pulverförmiger Mittel in wasserlöslichen Folienbeuteln sowie das Vorhandensein einer Einspülvorrichtung am Spritzgerät.
  • Möglichst im Freien arbeiten; in geschlossenen Räumen für gute Durchlüftung oder Absaugung sorgen.
  • Spritzer auf der Haut sofort mit Wasser abwaschen; mit Pflanzenschutzmitteln durchnässte Arbeitskleidung sofort wechseln.
  • Zugelassene Schutzkleidung tragen! Schutzkleidung muss allen Arbeitskräften, die mit Pflanzenschutzmitteln umgehen, zur Verfügung gestellt werden. Die für den Betrieb verantwortliche Person hat darauf zu achten, dass die Schutzkleidung getragen wird.


Schutzanzug

Beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ist ein zertifizierter Standardschutzanzug mit gleichartiger Kopfbedeckung zu tragen. Beim Ansetzen flüssiger Präparate ist die Schutzkleidung zusätzlich durch eine Gummischürze vor Durchnässung zu schützen. Spritzbrühen sollen beim Ausbringen das Gewebe nicht durchdringen. Schutzanzüge aus Wasser abweisendem, aber atmungsaktivem Spezialgewebe mit integrierter Kapuze sind besonders geeignet. Overalls haben einen höheren Tragekomfort als zweiteilige Schutzanzüge. Kunststoffbeschichtete Regenkleidung hat zwar eine ausreichende Schutzwirkung, ist aber nicht atmungsaktiv und hat einen sehr schlechten Tragekomfort.

Handschuhe

Sie sollen undurchlässig für Wasser, Mineralöl und organische Lösungsmittel sein und aus kunststoffbeschichtetem Gewebe mit dichten (verschweißten) Nähten oder nahtlos aus Kunststoff bestehen. Lederhandschuhe und Baumwollhandschuhe mit Lederbesatz auf den Handflächen schützen die Hände nicht gegen flüssige Präparate. Verlängerte Stulpen schützen auch die sonst ungeschützten Handgelenke. Handschuhe müssen griffsicher und reißfest sein und sind beim Ansetzen der Spritzflüssigkeit immer anzuziehen. Untersuchungen haben ergeben, dass die Wirkstoffaufnahme über die Hände, insbesondere beim Ansetzen der Brühe, den größten Anteil an einer Wirkstoffbelastung des Körpers hat.

Fußkleidung

Die Fußkleidung soll für Staub, Flüssigkeiten und giftige Stoffe undurchdringlich und gegen die verwendeten chemischen Präparate beständig sein (Hinweise in der Gebrauchsanweisung beachten). Lederschnürschuhe gewähren genügend Schutz, wenn sie gegen Staub und Flüssigkeit ausreichend dicht sind. Werden Lederschuhe stark verunreinigt, besteht die Gefahr, dass Chemikalien das Leder durchdringen. Diese Schuhe dürfen dann nicht mehr verwendet werden. Gummistiefel bieten in dieser Hinsicht größere Sicherheit.

Schutzbrille

Die Augen sind gegen eine Kontamination durch konzentrierte Pflanzenschutzmittel und Spritzbrühen zu schützen. Eine Vollsichtschutzbrille mit seitlich geschlossenem Rand bietet einen ausreichenden Schutz gegen Stäube, Spritz- und Sprühtropfen. Eine gute Schutzbrille schränkt den Blickwinkel nicht ein, beschlägt nicht - auch bei längerem Tragen- und kann über der normalen Korrekturbrille getragen werden. Übliche Korrektur- oder Sonnenbrillen bieten keinen ausreichenden Schutz.

Atemschutz

Bei der Anwendung von vielen Pflanzenschutzmitteln ist der Schutz der Atmungsorgane (Atemschutz) erforderlich (siehe Gebrauchsanweisung):

  • beim Ansetzen der Brühe (auch im Freien) aufgrund der möglichen Staubentwicklung bei pulverförmigen Mitteln, sowie beim Ansetzen und Ausbringen flüssiger Mittel zum Schutz gegen Dämpfe
  • in dichten hohen Pflanzenbeständen oder bei Arbeiten mit Stäubemitteln
  • beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln in geschlossenen Räumen.

In der Praxis werden Halbmasken, Vollmasken, Atemschutzhelme und Schlepperkabinen mit Filtereinrichtungen zum Schutz der Atemwege eingesetzt.
Die Halbmaske mit Steckfilter schützt die Atmungsorgane und eignet sich nur zum Einsatz im Freien. Filter der Bezeichnung A1 - P2 (kombinierter Filter gegen organische Gase und Dämpfe mit geringer Aufnahmekapazität und feste, flüssige Teilchen mit mittlerem Rückhaltevermögen) sind hierfür ausreichend. Da bestimmte giftige Stoffe auch die Augen gefährden und über die unbedeckte Gesichtspartie eindringen können, sind die Augen mit einer Schutzbrille und die unbedeckten Körperteile so klein wie möglich zu halten. Halbmasken aus Papiervlies zugelassene Partikelfilter (P2) eignen sich nur zum Abwiegen pulverförmiger Mittel und zum Stäuben im Freien. Beim Ausbringen von Spritzbrühen wird das Filtervlies schnell durchnässt und die Aufnahme der Spritzflüssigkeit über die Schleimhäute in Mund und Rachen möglich. Halbmasken aus Papiervlies sind unwirksam gegen Gase und Dämpfe.
Die Vollmaske schützt die Augen, die Atmungsorgane und die Gesichtshaut. Vollmasken mit Kombinationsfiltern (Schraubfilter A2 - P3, Filter gegen organische Gase und Dämpfe -mittlere Aufnahmekapazität- und feste, flüssige Teilchen mit großem Rückhaltevermögen) sind beim Abwiegen von Pflanzenschutzmitteln, beim Ansetzen der Brühe in geschlossenen Räumen sowie zur Ausbringung in geschlossenen Räumen wie z.B. Gewächshäusern zu tragen. Einen sehr guten Schutz bieten Atemschutzhelme. Über die Filtereinheit wird mittels eines Ventilators ständig Frischluft in den Helm gefördert, wodurch ein leichter Überdruck entsteht, der einerseits die Atmung erleichtert (kein Atemwiderstand) und andererseits verhindert, dass schadstoffbelastete Umgebungsluft in den Helm eindringen kann. Die Stromversorgung wird über die Schlepper-Elektrik oder wieder aufladbare Akkus gewährleistet. Atemschutzhelme sind ungeeignet beim Abwiegen, Ansetzen und Ausbringen der Brühe in geschlossenen Räumen.
Die für den Anwender angenehmste Lösung ist eine dichte Schlepperkabine mit filtrierender Belüftungseinrichtung. Die Filtereinsätze werden heute als Sonderausstattung von allen Kabinenherstellern angeboten. Je nach Belastung ist ein Filter rasch gesättigt. Demgemäß kann ein Filterwechsel schon nach kurzer Einsatzdauer notwendig werden. Bei gesättigten Filtern sind die Schadstoffgehalte in der Kabinenluft höher als in der Außenluft.

Verhalten bei Vergiftungsunfällen

Wenn sich bei der Arbeit Kopfschmerzen, Schweißausbruch, Übelkeit oder andere auffällige Gesundheitsstörungen bemerkbar machen, muss die Arbeit umgehend beendet werden. Der Arzt muss sofort benachrichtigt oder aufgesucht werden. Bei schweren Vergiftungen ist der Rettungswagen zu rufen, um den Vergifteten so schnell wie möglich in ein Krankenhaus zu bringen. Zusätzlich müssen Erste-Hilfe-Maßnahmen ergriffen werden:

  • Bis zum Eintreffen des Arztes bzw. Rettungswagens ist es wichtig, den Vergifteten sofort im Freien oder in einem gut belüfteten Raum in stabile Seitenlage zu bringen.
  • Dem Arzt die Pflanzenschutzmittelpackung und Gebrauchsanweisung vorlegen.
  • Zu viel Bewegung oder Anstrengung vermeiden.
  • Bei Bewusstlosigkeit Atemweg freimachen (Kopf in den Nacken - überstrecken).
  • Beengende oder mit Mittel behaftete Kleidung entfernen.
  • Gesicht und Haut mit Wasser und Seife reinigen.
  • Augen mit fließendem Wasser spülen.
  • Den Vergifteten warm halten.
  • Niemals bei Vergiftungsunfällen Milch, Eiweißprodukte, Rizinusöl oder Alkohol geben und keine Hausmittel anwenden.
  • Bei Vergiftungen von Haustieren sofort den Tierarzt rufen. Futterreste, Kot und die Packung des Präparates, das die Vergiftung vermutlich ausgelöst hat, aufbewahren und vorzeigen.

Quelle

B. Altmayer, B. Fader, M. Harms, R. Ipach, U. Ipach, H.-P. Lipps, K.-J. Schirra, B. Ziegler (2010): Sachkunde im Pflanzenschutz (Weinbau). 6. überarbeitete Auflage. Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin. Neustadt an der Weinstraße.